Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

der Landweibel, als ein Mann von Erfahrung in Staatssachen und gemeinen Händeln, bald genug gehört. Er zog sich mit einigen glatten, in Dämmerung gehaltenen Bereitwilligkeitsversicherungen vor der Hand aus der Schlinge, aber, in den Schooß seiner Familie zurückgekehrt, war sein erstes entrüstetes Wort: Wißt ihr, daß uns der alt' Hagenbach über den Löffel barbiren will? Wißt ihr wohl, daß ich glaube, daß der alt' Lump nichts hat? -- Und des Weibels Gattin und sein Sohn und die getreue Nachbarin Trümpy antworteten als ein dreifach verstärktes Echo dem Zürnenden, der sodann mit sich zu Rathe ging, was er zu thun habe, als vierte höchste Autorität im Stande Appenzell Inner-Rhoden. Der Weibel erkannte nur den Landammann, den Landsfähndrich und den Landschreiber über ihm.

Hagenbach hatte schon längst seine voreiligen Mittheilungen bereut; Verena stand so eben, als eine blasse und betrübte Verlobte, neben ihrer Mutter und sagte der vor sich Hinstarrenden: Liebe Mutter, wißt Ihr schon? ich werde heirathen. -- Scholastika erhob den Kopf, schaute ihrer Tochter zerstreut ins Auge. Ich verstehe nicht, Verena, sprach sie scharf. -- Verena zeigte ihr den Ring und wiederholte: Ich soll, ich werde heirathen. -- Thu es nicht! lautete die Antwort. Dabei wies die Irre auf ihren eigenen Trauring und setzte hinzu: Es ist nur Glanz, nicht Heil im Golde. -- Ja wohl, ja wohl, seufzte die Tochter

der Landweibel, als ein Mann von Erfahrung in Staatssachen und gemeinen Händeln, bald genug gehört. Er zog sich mit einigen glatten, in Dämmerung gehaltenen Bereitwilligkeitsversicherungen vor der Hand aus der Schlinge, aber, in den Schooß seiner Familie zurückgekehrt, war sein erstes entrüstetes Wort: Wißt ihr, daß uns der alt' Hagenbach über den Löffel barbiren will? Wißt ihr wohl, daß ich glaube, daß der alt' Lump nichts hat? — Und des Weibels Gattin und sein Sohn und die getreue Nachbarin Trümpy antworteten als ein dreifach verstärktes Echo dem Zürnenden, der sodann mit sich zu Rathe ging, was er zu thun habe, als vierte höchste Autorität im Stande Appenzell Inner-Rhoden. Der Weibel erkannte nur den Landammann, den Landsfähndrich und den Landschreiber über ihm.

Hagenbach hatte schon längst seine voreiligen Mittheilungen bereut; Verena stand so eben, als eine blasse und betrübte Verlobte, neben ihrer Mutter und sagte der vor sich Hinstarrenden: Liebe Mutter, wißt Ihr schon? ich werde heirathen. — Scholastika erhob den Kopf, schaute ihrer Tochter zerstreut ins Auge. Ich verstehe nicht, Verena, sprach sie scharf. — Verena zeigte ihr den Ring und wiederholte: Ich soll, ich werde heirathen. — Thu es nicht! lautete die Antwort. Dabei wies die Irre auf ihren eigenen Trauring und setzte hinzu: Es ist nur Glanz, nicht Heil im Golde. — Ja wohl, ja wohl, seufzte die Tochter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030"/>
der Landweibel, als ein Mann von Erfahrung in                Staatssachen und gemeinen Händeln, bald genug gehört. Er zog sich mit einigen                glatten, in Dämmerung gehaltenen Bereitwilligkeitsversicherungen vor der Hand aus der                Schlinge, aber, in den Schooß seiner Familie zurückgekehrt, war sein erstes                entrüstetes Wort: Wißt ihr, daß uns der alt' Hagenbach über den Löffel barbiren will?                Wißt ihr wohl, daß ich glaube, daß der alt' Lump nichts hat? &#x2014; Und des Weibels Gattin                und sein Sohn und die getreue Nachbarin Trümpy antworteten als ein dreifach                verstärktes Echo dem Zürnenden, der sodann mit sich zu Rathe ging, was er zu thun                habe, als vierte höchste Autorität im Stande Appenzell Inner-Rhoden. Der Weibel                erkannte nur den Landammann, den Landsfähndrich und den Landschreiber über ihm.</p><lb/>
        <p>Hagenbach hatte schon längst seine voreiligen Mittheilungen bereut; Verena stand so                eben, als eine blasse und betrübte Verlobte, neben ihrer Mutter und sagte der vor                sich Hinstarrenden: Liebe Mutter, wißt Ihr schon? ich werde heirathen. &#x2014; Scholastika                erhob den Kopf, schaute ihrer Tochter zerstreut ins Auge. Ich verstehe nicht, Verena,                sprach sie scharf. &#x2014; Verena zeigte ihr den Ring und wiederholte: Ich soll, ich werde                heirathen. &#x2014; Thu es nicht! lautete die Antwort. Dabei wies die Irre auf ihren eigenen                Trauring und setzte hinzu: Es ist nur Glanz, nicht Heil im Golde. &#x2014; Ja wohl, ja wohl,                seufzte die Tochter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] der Landweibel, als ein Mann von Erfahrung in Staatssachen und gemeinen Händeln, bald genug gehört. Er zog sich mit einigen glatten, in Dämmerung gehaltenen Bereitwilligkeitsversicherungen vor der Hand aus der Schlinge, aber, in den Schooß seiner Familie zurückgekehrt, war sein erstes entrüstetes Wort: Wißt ihr, daß uns der alt' Hagenbach über den Löffel barbiren will? Wißt ihr wohl, daß ich glaube, daß der alt' Lump nichts hat? — Und des Weibels Gattin und sein Sohn und die getreue Nachbarin Trümpy antworteten als ein dreifach verstärktes Echo dem Zürnenden, der sodann mit sich zu Rathe ging, was er zu thun habe, als vierte höchste Autorität im Stande Appenzell Inner-Rhoden. Der Weibel erkannte nur den Landammann, den Landsfähndrich und den Landschreiber über ihm. Hagenbach hatte schon längst seine voreiligen Mittheilungen bereut; Verena stand so eben, als eine blasse und betrübte Verlobte, neben ihrer Mutter und sagte der vor sich Hinstarrenden: Liebe Mutter, wißt Ihr schon? ich werde heirathen. — Scholastika erhob den Kopf, schaute ihrer Tochter zerstreut ins Auge. Ich verstehe nicht, Verena, sprach sie scharf. — Verena zeigte ihr den Ring und wiederholte: Ich soll, ich werde heirathen. — Thu es nicht! lautete die Antwort. Dabei wies die Irre auf ihren eigenen Trauring und setzte hinzu: Es ist nur Glanz, nicht Heil im Golde. — Ja wohl, ja wohl, seufzte die Tochter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/30
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/30>, abgerufen am 25.11.2024.