Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gehen zu dürfen, sich mit ihr in Gais und Weißbad an einem Sonntag sehen zu lassen. Er spielte den Freigebigen, tractirte und scherzte nach seiner Weise. Die frostige Art, womit Verena alle seine Artigkeiten aufnahm, machte nicht ihm, wohl aber seiner Mutter Sorgen. Da jedoch der Landweibel selber seines Sohnes Freierei billigte und sich mit Hagenbach auf den vertraulichsten Fuß gesetzt hatte, so wurden die Bedenklichkeiten der Frau Rüttimann nicht berücksichtigt, und an einem schönen Sonntag gab der Freiwerber seiner Schönen den goldenen Ring als ein Zeichen und Pfand baldiger Verbindung und tauschte dagegen den ihrigen ein, der ohne auffallendes Sträuben, aber zögernd gegeben wurde. -- Die Hochzeit sollte binnen drei Wochen sein. Ringe binden, und die Verkündigungen des Priesters von der Kanzel halten fest, pflegt man zu sagen. Eine sehr weitläufige Anverwandte des Landweibels, Frau Trümpy, eine wohlbegüterte rasche Wittwe in den besten Jahren, die selber gern geheirathet worden wäre, glaubte nicht so zuversichtlich an die Unauflöslichkeit eines Ringewechsels. -- Als die nächste Nachbarin des Brautvaters, und in beständigem Winkelverkehr mit der Magd des Hagenbach'schen Hauses, war Frau Trümpy zu einer gewissen Vorahnung gelangt, die den Projecten Hagenbach's nicht günstig lautete. Sie theilte ihre Ahnungen und Muthmaßungen dem Bräutigam selber mit; er wollte anfänglich nicht glauben. Sie trug ihre gehen zu dürfen, sich mit ihr in Gais und Weißbad an einem Sonntag sehen zu lassen. Er spielte den Freigebigen, tractirte und scherzte nach seiner Weise. Die frostige Art, womit Verena alle seine Artigkeiten aufnahm, machte nicht ihm, wohl aber seiner Mutter Sorgen. Da jedoch der Landweibel selber seines Sohnes Freierei billigte und sich mit Hagenbach auf den vertraulichsten Fuß gesetzt hatte, so wurden die Bedenklichkeiten der Frau Rüttimann nicht berücksichtigt, und an einem schönen Sonntag gab der Freiwerber seiner Schönen den goldenen Ring als ein Zeichen und Pfand baldiger Verbindung und tauschte dagegen den ihrigen ein, der ohne auffallendes Sträuben, aber zögernd gegeben wurde. — Die Hochzeit sollte binnen drei Wochen sein. Ringe binden, und die Verkündigungen des Priesters von der Kanzel halten fest, pflegt man zu sagen. Eine sehr weitläufige Anverwandte des Landweibels, Frau Trümpy, eine wohlbegüterte rasche Wittwe in den besten Jahren, die selber gern geheirathet worden wäre, glaubte nicht so zuversichtlich an die Unauflöslichkeit eines Ringewechsels. — Als die nächste Nachbarin des Brautvaters, und in beständigem Winkelverkehr mit der Magd des Hagenbach'schen Hauses, war Frau Trümpy zu einer gewissen Vorahnung gelangt, die den Projecten Hagenbach's nicht günstig lautete. Sie theilte ihre Ahnungen und Muthmaßungen dem Bräutigam selber mit; er wollte anfänglich nicht glauben. Sie trug ihre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028"/> gehen zu dürfen, sich mit ihr in Gais und Weißbad an einem Sonntag sehen zu lassen. Er spielte den Freigebigen, tractirte und scherzte nach seiner Weise. Die frostige Art, womit Verena alle seine Artigkeiten aufnahm, machte nicht ihm, wohl aber seiner Mutter Sorgen. Da jedoch der Landweibel selber seines Sohnes Freierei billigte und sich mit Hagenbach auf den vertraulichsten Fuß gesetzt hatte, so wurden die Bedenklichkeiten der Frau Rüttimann nicht berücksichtigt, und an einem schönen Sonntag gab der Freiwerber seiner Schönen den goldenen Ring als ein Zeichen und Pfand baldiger Verbindung und tauschte dagegen den ihrigen ein, der ohne auffallendes Sträuben, aber zögernd gegeben wurde. — Die Hochzeit sollte binnen drei Wochen sein.</p><lb/> <p>Ringe binden, und die Verkündigungen des Priesters von der Kanzel halten fest, pflegt man zu sagen. Eine sehr weitläufige Anverwandte des Landweibels, Frau Trümpy, eine wohlbegüterte rasche Wittwe in den besten Jahren, die selber gern geheirathet worden wäre, glaubte nicht so zuversichtlich an die Unauflöslichkeit eines Ringewechsels. — Als die nächste Nachbarin des Brautvaters, und in beständigem Winkelverkehr mit der Magd des Hagenbach'schen Hauses, war Frau Trümpy zu einer gewissen Vorahnung gelangt, die den Projecten Hagenbach's nicht günstig lautete. Sie theilte ihre Ahnungen und Muthmaßungen dem Bräutigam selber mit; er wollte anfänglich nicht glauben. Sie trug ihre<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
gehen zu dürfen, sich mit ihr in Gais und Weißbad an einem Sonntag sehen zu lassen. Er spielte den Freigebigen, tractirte und scherzte nach seiner Weise. Die frostige Art, womit Verena alle seine Artigkeiten aufnahm, machte nicht ihm, wohl aber seiner Mutter Sorgen. Da jedoch der Landweibel selber seines Sohnes Freierei billigte und sich mit Hagenbach auf den vertraulichsten Fuß gesetzt hatte, so wurden die Bedenklichkeiten der Frau Rüttimann nicht berücksichtigt, und an einem schönen Sonntag gab der Freiwerber seiner Schönen den goldenen Ring als ein Zeichen und Pfand baldiger Verbindung und tauschte dagegen den ihrigen ein, der ohne auffallendes Sträuben, aber zögernd gegeben wurde. — Die Hochzeit sollte binnen drei Wochen sein.
Ringe binden, und die Verkündigungen des Priesters von der Kanzel halten fest, pflegt man zu sagen. Eine sehr weitläufige Anverwandte des Landweibels, Frau Trümpy, eine wohlbegüterte rasche Wittwe in den besten Jahren, die selber gern geheirathet worden wäre, glaubte nicht so zuversichtlich an die Unauflöslichkeit eines Ringewechsels. — Als die nächste Nachbarin des Brautvaters, und in beständigem Winkelverkehr mit der Magd des Hagenbach'schen Hauses, war Frau Trümpy zu einer gewissen Vorahnung gelangt, die den Projecten Hagenbach's nicht günstig lautete. Sie theilte ihre Ahnungen und Muthmaßungen dem Bräutigam selber mit; er wollte anfänglich nicht glauben. Sie trug ihre
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Zitationshilfe: | Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/28>, abgerufen am 16.07.2024. |