Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

reichen nicht mehr aus. Keine Frau mehr, um Alles zusammenzuhalten; keine Söhne mehr, die mit der Zeit ihre Hände zu meiner Unterstützung hergegeben haben würden... wenig Erträgniß von meinem Eigen, dagegen viel Verzehrung und Unglück -- nach ein paar Jahren stehen wir an der Gant; ich kann's nicht mehr länger verhehlen. -- Armer Vater! Ihr seid nicht zum Glück geboren. Gäb's aber nicht ein Mittel, das drohende Unheil aufzuhalten? -- Ein einziges nur. Heirathe einen wohlhabenden Mann, der dir eine sorgenfreie Zukunft zu bereiten und mir mit Gelde unter die Arme zu greifen im Stande ist. -- Ach, was sagt Ihr da? Ich sollte heirathen? Ich habe keinen Sinn dafür. Alle Mannspersonen sind mir gleichgültig, ob alt oder jung. Ich liebe die Kinder nicht, bin gern für mich allein und mag nicht für einen groben Mann Sorge tragen. Die Weiber, die von ihrem Haushalt plaudern und von ihren Mutterfreuden großes Wesen machen, sind mir zuwider. Die Frauen im Kloster haben mir auch gesagt, ich sei nicht zum Heirathen bestimmt; am liebsten würd' ich selber eine Klosterfrau und fürchte die grobe Kutte der Kapuzinerinnen weniger, als das Joch des Ehestandes.

Da jedoch der Vater nicht unterließ, der Tochter begreiflich zu machen, wie irrig ihre Ansichten seien, und da er namentlich darauf bestand, daß er keines Dinges auf Erden so nothwendig bedürfe, als gerade eines reichen Schwiegersohns, sagte die Gehorsame nach

reichen nicht mehr aus. Keine Frau mehr, um Alles zusammenzuhalten; keine Söhne mehr, die mit der Zeit ihre Hände zu meiner Unterstützung hergegeben haben würden... wenig Erträgniß von meinem Eigen, dagegen viel Verzehrung und Unglück — nach ein paar Jahren stehen wir an der Gant; ich kann's nicht mehr länger verhehlen. — Armer Vater! Ihr seid nicht zum Glück geboren. Gäb's aber nicht ein Mittel, das drohende Unheil aufzuhalten? — Ein einziges nur. Heirathe einen wohlhabenden Mann, der dir eine sorgenfreie Zukunft zu bereiten und mir mit Gelde unter die Arme zu greifen im Stande ist. — Ach, was sagt Ihr da? Ich sollte heirathen? Ich habe keinen Sinn dafür. Alle Mannspersonen sind mir gleichgültig, ob alt oder jung. Ich liebe die Kinder nicht, bin gern für mich allein und mag nicht für einen groben Mann Sorge tragen. Die Weiber, die von ihrem Haushalt plaudern und von ihren Mutterfreuden großes Wesen machen, sind mir zuwider. Die Frauen im Kloster haben mir auch gesagt, ich sei nicht zum Heirathen bestimmt; am liebsten würd' ich selber eine Klosterfrau und fürchte die grobe Kutte der Kapuzinerinnen weniger, als das Joch des Ehestandes.

Da jedoch der Vater nicht unterließ, der Tochter begreiflich zu machen, wie irrig ihre Ansichten seien, und da er namentlich darauf bestand, daß er keines Dinges auf Erden so nothwendig bedürfe, als gerade eines reichen Schwiegersohns, sagte die Gehorsame nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025"/>
reichen nicht mehr aus. Keine Frau mehr, um Alles                zusammenzuhalten; keine Söhne mehr, die mit der Zeit ihre Hände zu meiner                Unterstützung hergegeben haben würden... wenig Erträgniß von meinem Eigen, dagegen                viel Verzehrung und Unglück &#x2014; nach ein paar Jahren stehen wir an der Gant; ich kann's                nicht mehr länger verhehlen. &#x2014; Armer Vater! Ihr seid nicht zum Glück geboren. Gäb's                aber nicht ein Mittel, das drohende Unheil aufzuhalten? &#x2014; Ein einziges nur. Heirathe                einen wohlhabenden Mann, der dir eine sorgenfreie Zukunft zu bereiten und mir mit                Gelde unter die Arme zu greifen im Stande ist. &#x2014; Ach, was sagt Ihr da? Ich sollte                heirathen? Ich habe keinen Sinn dafür. Alle Mannspersonen sind mir gleichgültig, ob                alt oder jung. Ich liebe die Kinder nicht, bin gern für mich allein und mag nicht für                einen groben Mann Sorge tragen. Die Weiber, die von ihrem Haushalt plaudern und von                ihren Mutterfreuden großes Wesen machen, sind mir zuwider. Die Frauen im Kloster                haben mir auch gesagt, ich sei nicht zum Heirathen bestimmt; am liebsten würd' ich                selber eine Klosterfrau und fürchte die grobe Kutte der Kapuzinerinnen weniger, als                das Joch des Ehestandes.</p><lb/>
        <p>Da jedoch der Vater nicht unterließ, der Tochter begreiflich zu machen, wie irrig                ihre Ansichten seien, und da er namentlich darauf bestand, daß er keines Dinges auf                Erden so nothwendig bedürfe, als gerade eines reichen Schwiegersohns, sagte die                Gehorsame nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] reichen nicht mehr aus. Keine Frau mehr, um Alles zusammenzuhalten; keine Söhne mehr, die mit der Zeit ihre Hände zu meiner Unterstützung hergegeben haben würden... wenig Erträgniß von meinem Eigen, dagegen viel Verzehrung und Unglück — nach ein paar Jahren stehen wir an der Gant; ich kann's nicht mehr länger verhehlen. — Armer Vater! Ihr seid nicht zum Glück geboren. Gäb's aber nicht ein Mittel, das drohende Unheil aufzuhalten? — Ein einziges nur. Heirathe einen wohlhabenden Mann, der dir eine sorgenfreie Zukunft zu bereiten und mir mit Gelde unter die Arme zu greifen im Stande ist. — Ach, was sagt Ihr da? Ich sollte heirathen? Ich habe keinen Sinn dafür. Alle Mannspersonen sind mir gleichgültig, ob alt oder jung. Ich liebe die Kinder nicht, bin gern für mich allein und mag nicht für einen groben Mann Sorge tragen. Die Weiber, die von ihrem Haushalt plaudern und von ihren Mutterfreuden großes Wesen machen, sind mir zuwider. Die Frauen im Kloster haben mir auch gesagt, ich sei nicht zum Heirathen bestimmt; am liebsten würd' ich selber eine Klosterfrau und fürchte die grobe Kutte der Kapuzinerinnen weniger, als das Joch des Ehestandes. Da jedoch der Vater nicht unterließ, der Tochter begreiflich zu machen, wie irrig ihre Ansichten seien, und da er namentlich darauf bestand, daß er keines Dinges auf Erden so nothwendig bedürfe, als gerade eines reichen Schwiegersohns, sagte die Gehorsame nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/25
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/25>, abgerufen am 25.11.2024.