Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht Gegenrache zu üben, sie genossen den
verdienten Triumph im Stillen, und kamen
jeden, der sich ihnen nahte, mit Freundlich-
keit entgegen. Jeder, welcher geladen zu
werden wünschte, wurde geladen, und dies
verpflichtete wenigstens alle zur äußerlichen
Hochachtung, zum innerlichen Danke.

Fürst und Fürstin bemühten sich, am be-
stimmten Tage die Gräfin aufs neue unter al-
len Damen auszuzeichnen, und diese Bemü-
hung war die Ursache, daß man ganz zu ver-
gessen schien: Wer sie einst war? nur darauf
achtetete: Was sie izt sey? Der Graf genoß
als Präsident das volle Zutraun seines Fürsten,
seine Tafel ward immer zahlreich besucht, und
die Gräfin erschien nun, ohne aufgeführt zu
werden, an allen öffentlichen Oertern, und
in allen Gesellschaften bei Hofe, wurde überall
hoch geschäzt und geehrt, weil die Fürstin sie
als Freundin liebte. Freilich wurde im gehei-

nicht Gegenrache zu uͤben, ſie genoſſen den
verdienten Triumph im Stillen, und kamen
jeden, der ſich ihnen nahte, mit Freundlich-
keit entgegen. Jeder, welcher geladen zu
werden wuͤnſchte, wurde geladen, und dies
verpflichtete wenigſtens alle zur aͤußerlichen
Hochachtung, zum innerlichen Danke.

Fuͤrſt und Fuͤrſtin bemuͤhten ſich, am be-
ſtimmten Tage die Graͤfin aufs neue unter al-
len Damen auszuzeichnen, und dieſe Bemuͤ-
hung war die Urſache, daß man ganz zu ver-
geſſen ſchien: Wer ſie einſt war? nur darauf
achtetete: Was ſie izt ſey? Der Graf genoß
als Praͤſident das volle Zutraun ſeines Fuͤrſten,
ſeine Tafel ward immer zahlreich beſucht, und
die Graͤfin erſchien nun, ohne aufgefuͤhrt zu
werden, an allen oͤffentlichen Oertern, und
in allen Geſellſchaften bei Hofe, wurde uͤberall
hoch geſchaͤzt und geehrt, weil die Fuͤrſtin ſie
als Freundin liebte. Freilich wurde im gehei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="78"/>
nicht Gegenrache zu u&#x0364;ben, &#x017F;ie geno&#x017F;&#x017F;en den<lb/>
verdienten Triumph im Stillen, und kamen<lb/>
jeden, der &#x017F;ich ihnen nahte, mit Freundlich-<lb/>
keit entgegen. Jeder, welcher geladen zu<lb/>
werden wu&#x0364;n&#x017F;chte, wurde geladen, und dies<lb/>
verpflichtete wenig&#x017F;tens alle zur a&#x0364;ußerlichen<lb/>
Hochachtung, zum innerlichen Danke.</p><lb/>
        <p>Fu&#x0364;r&#x017F;t und Fu&#x0364;r&#x017F;tin bemu&#x0364;hten &#x017F;ich, am be-<lb/>
&#x017F;timmten Tage die Gra&#x0364;fin aufs neue unter al-<lb/>
len Damen auszuzeichnen, und die&#x017F;e Bemu&#x0364;-<lb/>
hung war die Ur&#x017F;ache, daß man ganz zu ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chien: Wer &#x017F;ie ein&#x017F;t war? nur darauf<lb/>
achtetete: Was &#x017F;ie izt &#x017F;ey? Der Graf genoß<lb/>
als Pra&#x0364;&#x017F;ident das volle Zutraun &#x017F;eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
&#x017F;eine Tafel ward immer zahlreich be&#x017F;ucht, und<lb/>
die Gra&#x0364;fin er&#x017F;chien nun, ohne aufgefu&#x0364;hrt zu<lb/>
werden, an allen o&#x0364;ffentlichen Oertern, und<lb/>
in allen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften bei Hofe, wurde u&#x0364;berall<lb/>
hoch ge&#x017F;cha&#x0364;zt und geehrt, weil die Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;ie<lb/>
als Freundin liebte. Freilich wurde im gehei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0088] nicht Gegenrache zu uͤben, ſie genoſſen den verdienten Triumph im Stillen, und kamen jeden, der ſich ihnen nahte, mit Freundlich- keit entgegen. Jeder, welcher geladen zu werden wuͤnſchte, wurde geladen, und dies verpflichtete wenigſtens alle zur aͤußerlichen Hochachtung, zum innerlichen Danke. Fuͤrſt und Fuͤrſtin bemuͤhten ſich, am be- ſtimmten Tage die Graͤfin aufs neue unter al- len Damen auszuzeichnen, und dieſe Bemuͤ- hung war die Urſache, daß man ganz zu ver- geſſen ſchien: Wer ſie einſt war? nur darauf achtetete: Was ſie izt ſey? Der Graf genoß als Praͤſident das volle Zutraun ſeines Fuͤrſten, ſeine Tafel ward immer zahlreich beſucht, und die Graͤfin erſchien nun, ohne aufgefuͤhrt zu werden, an allen oͤffentlichen Oertern, und in allen Geſellſchaften bei Hofe, wurde uͤberall hoch geſchaͤzt und geehrt, weil die Fuͤrſtin ſie als Freundin liebte. Freilich wurde im gehei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/88
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/88>, abgerufen am 05.05.2024.