nicht mehr in Frankfurt, er hatte in einem benachbarten Städtchen eine schöne, reiche Kaufmannstochter geheurathet, und lebte dort mit einem Aufwande, der nach Zeugniß der Sachkundigen, ein weit grösseres Vermö- gen bald verschlingen würde.
Ohne zu bedenken, daß nun keine Heu- rath mit Sophien möglich sey, reiste der Ab- gesandte nach diesem Städtchen, und machte dem in Freuden lebenden Wilhelm die Schrek- kenspost des Marggrafen kund. Sie schien ihn sehr zu erschüttern, er zitterte und bebte, versprach dem Abgesandten am andern Morgen eine schriftliche Rechtfertigung und eine Sum- me Geldes zur Unterstützung der leidenden So- phie zu überbringen. Wie aber der Abgesand- te bis am Mittag des andern Tages vergebens auf beides harrte, und nun wieder nach Wil- helms Wohnung ging, fand er dort alles in größter Bestürzung, und erfuhr, daß Wil-
nicht mehr in Frankfurt, er hatte in einem benachbarten Staͤdtchen eine ſchoͤne, reiche Kaufmannstochter geheurathet, und lebte dort mit einem Aufwande, der nach Zeugniß der Sachkundigen, ein weit groͤſſeres Vermoͤ- gen bald verſchlingen wuͤrde.
Ohne zu bedenken, daß nun keine Heu- rath mit Sophien moͤglich ſey, reiſte der Ab- geſandte nach dieſem Staͤdtchen, und machte dem in Freuden lebenden Wilhelm die Schrek- kenspoſt des Marggrafen kund. Sie ſchien ihn ſehr zu erſchuͤttern, er zitterte und bebte, verſprach dem Abgeſandten am andern Morgen eine ſchriftliche Rechtfertigung und eine Sum- me Geldes zur Unterſtuͤtzung der leidenden So- phie zu uͤberbringen. Wie aber der Abgeſand- te bis am Mittag des andern Tages vergebens auf beides harrte, und nun wieder nach Wil- helms Wohnung ging, fand er dort alles in groͤßter Beſtuͤrzung, und erfuhr, daß Wil-
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nicht mehr in Frankfurt, er hatte in einem
benachbarten Staͤdtchen eine ſchoͤne, reiche
Kaufmannstochter geheurathet, und lebte
dort mit einem Aufwande, der nach Zeugniß
der Sachkundigen, ein weit groͤſſeres Vermoͤ-
gen bald verſchlingen wuͤrde.
Ohne zu bedenken, daß nun keine Heu-
rath mit Sophien moͤglich ſey, reiſte der Ab-
geſandte nach dieſem Staͤdtchen, und machte
dem in Freuden lebenden Wilhelm die Schrek-
kenspoſt des Marggrafen kund. Sie ſchien
ihn ſehr zu erſchuͤttern, er zitterte und bebte,
verſprach dem Abgeſandten am andern Morgen
eine ſchriftliche Rechtfertigung und eine Sum-
me Geldes zur Unterſtuͤtzung der leidenden So-
phie zu uͤberbringen. Wie aber der Abgeſand-
te bis am Mittag des andern Tages vergebens
auf beides harrte, und nun wieder nach Wil-
helms Wohnung ging, fand er dort alles in
groͤßter Beſtuͤrzung, und erfuhr, daß Wil-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/65>, abgerufen am 22.11.2024.
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