So lange Wilhelms Eltern lebten, sand- ten sie ihrem unglücklichen Sohn täglich Spei- sen, als aber beide in so kurzer Zeit starben, da fühlte Wilhelm durch einige Tage die volle Last seines Schicksals in seiner ganzen Grösse. Er war von Jugend auf besserer Kost gewohnt, ein unüberwindlicher Ekel hinderte ihn izt, das Wenige zu genüssen, was man ihm reich- te. Matt und kraftlos taumelte er umher, bekam Schläge, weil er die vorgeschriebne Ar- beit nicht vollenden konnte, und hofte eben, daß der Tod seine Marter bald enden würde, als ein altes Weib erschien, und ihm nahr- hafte und gute Speise brachte. Sie schüzte strenges Verbot vor, wenn er nach dem Na- men seines neuen Wohlthäters fragte, sie lächelte geheimnißvoll, wenn er bald diesen, bald jenen seiner Anverwandten nannte. Erst nach einigen Wochen gab die Alte, welche von nun an täglich mit Speise erschien, seiner dringenden Bitte Gehör, und gestand ihm,
So lange Wilhelms Eltern lebten, ſand- ten ſie ihrem ungluͤcklichen Sohn taͤglich Spei- ſen, als aber beide in ſo kurzer Zeit ſtarben, da fuͤhlte Wilhelm durch einige Tage die volle Laſt ſeines Schickſals in ſeiner ganzen Groͤſſe. Er war von Jugend auf beſſerer Koſt gewohnt, ein unuͤberwindlicher Ekel hinderte ihn izt, das Wenige zu genuͤſſen, was man ihm reich- te. Matt und kraftlos taumelte er umher, bekam Schlaͤge, weil er die vorgeſchriebne Ar- beit nicht vollenden konnte, und hofte eben, daß der Tod ſeine Marter bald enden wuͤrde, als ein altes Weib erſchien, und ihm nahr- hafte und gute Speiſe brachte. Sie ſchuͤzte ſtrenges Verbot vor, wenn er nach dem Na- men ſeines neuen Wohlthaͤters fragte, ſie laͤchelte geheimnißvoll, wenn er bald dieſen, bald jenen ſeiner Anverwandten nannte. Erſt nach einigen Wochen gab die Alte, welche von nun an taͤglich mit Speiſe erſchien, ſeiner dringenden Bitte Gehoͤr, und geſtand ihm,
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So lange Wilhelms Eltern lebten, ſand-
ten ſie ihrem ungluͤcklichen Sohn taͤglich Spei-
ſen, als aber beide in ſo kurzer Zeit ſtarben,
da fuͤhlte Wilhelm durch einige Tage die volle
Laſt ſeines Schickſals in ſeiner ganzen Groͤſſe.
Er war von Jugend auf beſſerer Koſt gewohnt,
ein unuͤberwindlicher Ekel hinderte ihn izt,
das Wenige zu genuͤſſen, was man ihm reich-
te. Matt und kraftlos taumelte er umher,
bekam Schlaͤge, weil er die vorgeſchriebne Ar-
beit nicht vollenden konnte, und hofte eben,
daß der Tod ſeine Marter bald enden wuͤrde,
als ein altes Weib erſchien, und ihm nahr-
hafte und gute Speiſe brachte. Sie ſchuͤzte
ſtrenges Verbot vor, wenn er nach dem Na-
men ſeines neuen Wohlthaͤters fragte, ſie
laͤchelte geheimnißvoll, wenn er bald dieſen,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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