um sie am andern Morgen früher wecken, und die Lekzion wiederholen zu können.
Sophie, deren Augen sich nicht schlossen, wachte die ganze Nacht am Bette des Engels, der ihr Erlöser werden sollte, sie betete in- brünstig zu Gott, damit er diesen stärken, und ihren Worten Kraft verleihen möge. Schon um sechs Uhr weckte man die Prinzessin, aber sie war noch schlaftrunken, weinte anhal- tend, und schlief bald aufs neue. Man den- ke sich das Leiden der armen Sophie, die den einzigen möglichen Retter schlafend erblickte, indeß der Geliebte ihres Herzens nahe Todes- angst duldete, die jeder Glockenschlag mehrte.
Schon wars acht Uhr vorüber, als die Prinzessin munter und fröhlich erwachte. Es war rührend anzusehen, mit welcher hastigen Eilfertigkeit die zitternde Sophie sie anzuklei- den suchte, und aus allzu grosser Eile den An-
um ſie am andern Morgen fruͤher wecken, und die Lekzion wiederholen zu koͤnnen.
Sophie, deren Augen ſich nicht ſchloſſen, wachte die ganze Nacht am Bette des Engels, der ihr Erloͤſer werden ſollte, ſie betete in- bruͤnſtig zu Gott, damit er dieſen ſtaͤrken, und ihren Worten Kraft verleihen moͤge. Schon um ſechs Uhr weckte man die Prinzeſſin, aber ſie war noch ſchlaftrunken, weinte anhal- tend, und ſchlief bald aufs neue. Man den- ke ſich das Leiden der armen Sophie, die den einzigen moͤglichen Retter ſchlafend erblickte, indeß der Geliebte ihres Herzens nahe Todes- angſt duldete, die jeder Glockenſchlag mehrte.
Schon wars acht Uhr voruͤber, als die Prinzeſſin munter und froͤhlich erwachte. Es war ruͤhrend anzuſehen, mit welcher haſtigen Eilfertigkeit die zitternde Sophie ſie anzuklei- den ſuchte, und aus allzu groſſer Eile den An-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0035"n="25"/>
um ſie am andern Morgen fruͤher wecken, und<lb/>
die Lekzion wiederholen zu koͤnnen.</p><lb/><p>Sophie, deren Augen ſich nicht ſchloſſen,<lb/>
wachte die ganze Nacht am Bette des Engels,<lb/>
der ihr Erloͤſer werden ſollte, ſie betete in-<lb/>
bruͤnſtig zu Gott, damit er dieſen ſtaͤrken,<lb/>
und ihren Worten Kraft verleihen moͤge.<lb/>
Schon um ſechs Uhr weckte man die Prinzeſſin,<lb/>
aber ſie war noch ſchlaftrunken, weinte anhal-<lb/>
tend, und ſchlief bald aufs neue. Man den-<lb/>
ke ſich das Leiden der armen Sophie, die den<lb/>
einzigen moͤglichen Retter ſchlafend erblickte,<lb/>
indeß der Geliebte ihres Herzens nahe Todes-<lb/>
angſt duldete, die jeder Glockenſchlag mehrte.</p><lb/><p>Schon wars acht Uhr voruͤber, als die<lb/>
Prinzeſſin munter und froͤhlich erwachte. Es<lb/>
war ruͤhrend anzuſehen, mit welcher haſtigen<lb/>
Eilfertigkeit die zitternde Sophie ſie anzuklei-<lb/>
den ſuchte, und aus allzu groſſer Eile den An-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[25/0035]
um ſie am andern Morgen fruͤher wecken, und
die Lekzion wiederholen zu koͤnnen.
Sophie, deren Augen ſich nicht ſchloſſen,
wachte die ganze Nacht am Bette des Engels,
der ihr Erloͤſer werden ſollte, ſie betete in-
bruͤnſtig zu Gott, damit er dieſen ſtaͤrken,
und ihren Worten Kraft verleihen moͤge.
Schon um ſechs Uhr weckte man die Prinzeſſin,
aber ſie war noch ſchlaftrunken, weinte anhal-
tend, und ſchlief bald aufs neue. Man den-
ke ſich das Leiden der armen Sophie, die den
einzigen moͤglichen Retter ſchlafend erblickte,
indeß der Geliebte ihres Herzens nahe Todes-
angſt duldete, die jeder Glockenſchlag mehrte.
Schon wars acht Uhr voruͤber, als die
Prinzeſſin munter und froͤhlich erwachte. Es
war ruͤhrend anzuſehen, mit welcher haſtigen
Eilfertigkeit die zitternde Sophie ſie anzuklei-
den ſuchte, und aus allzu groſſer Eile den An-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/35>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.