Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist ein Traum! Es ist schreckliches
Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die
Liebkosungen der Gattin, die schmeichelnde
Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme
der Fürstin war nicht vermögend, die ein-
mal gefaßte Idee zu vernichten, er wäre
entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der
Fürstin die Bedienten ergriffen, und mit
Gewalt nach der Schäferei geführt hätten.

Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge-
wohnheit seinen Irrwahn tilgen, ihn von
der Gewißheit überzeugen würde, aber kei-
ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung
war fähig, das stokkende Rad der Einbildungs-
kraft zu wenden. Es stand, und in diesem
das Bild des Traumes und Truges. Nur
ein ähnliches, noch weit schrecklicheres Bild
gesellte sich noch zu diesem. Er glaubte in
der Folge, daß sein Weib, seine Kinder,
selbst die wohlthätige Fürstin gestorben wä-

Es iſt ein Traum! Es iſt ſchreckliches
Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die
Liebkoſungen der Gattin, die ſchmeichelnde
Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme
der Fuͤrſtin war nicht vermoͤgend, die ein-
mal gefaßte Idee zu vernichten, er waͤre
entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der
Fuͤrſtin die Bedienten ergriffen, und mit
Gewalt nach der Schaͤferei gefuͤhrt haͤtten.

Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge-
wohnheit ſeinen Irrwahn tilgen, ihn von
der Gewißheit uͤberzeugen wuͤrde, aber kei-
ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung
war faͤhig, das ſtokkende Rad der Einbildungs-
kraft zu wenden. Es ſtand, und in dieſem
das Bild des Traumes und Truges. Nur
ein aͤhnliches, noch weit ſchrecklicheres Bild
geſellte ſich noch zu dieſem. Er glaubte in
der Folge, daß ſein Weib, ſeine Kinder,
ſelbſt die wohlthaͤtige Fuͤrſtin geſtorben waͤ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0184" n="174"/>
        <p>Es i&#x017F;t ein Traum! Es i&#x017F;t &#x017F;chreckliches<lb/>
Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die<lb/>
Liebko&#x017F;ungen der Gattin, die &#x017F;chmeichelnde<lb/>
Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme<lb/>
der Fu&#x0364;r&#x017F;tin war nicht vermo&#x0364;gend, die ein-<lb/>
mal gefaßte Idee zu vernichten, er wa&#x0364;re<lb/>
entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin die Bedienten ergriffen, und mit<lb/>
Gewalt nach der Scha&#x0364;ferei gefu&#x0364;hrt ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge-<lb/>
wohnheit &#x017F;einen Irrwahn tilgen, ihn von<lb/>
der Gewißheit u&#x0364;berzeugen wu&#x0364;rde, aber kei-<lb/>
ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung<lb/>
war fa&#x0364;hig, das &#x017F;tokkende Rad der Einbildungs-<lb/>
kraft zu wenden. Es &#x017F;tand, und in die&#x017F;em<lb/>
das Bild des Traumes und Truges. Nur<lb/>
ein a&#x0364;hnliches, noch weit &#x017F;chrecklicheres Bild<lb/>
ge&#x017F;ellte &#x017F;ich noch zu die&#x017F;em. Er glaubte in<lb/>
der Folge, daß &#x017F;ein Weib, &#x017F;eine Kinder,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die wohltha&#x0364;tige Fu&#x0364;r&#x017F;tin ge&#x017F;torben wa&#x0364;-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] Es iſt ein Traum! Es iſt ſchreckliches Blendwerk! rief er ohne Unterlaß aus. Die Liebkoſungen der Gattin, die ſchmeichelnde Bitte der Kinder, die ermahnende Stimme der Fuͤrſtin war nicht vermoͤgend, die ein- mal gefaßte Idee zu vernichten, er waͤre entflohen, wenn ihn nicht auf den Wink der Fuͤrſtin die Bedienten ergriffen, und mit Gewalt nach der Schaͤferei gefuͤhrt haͤtten. Anfangs hoften alle, daß Zeit und Ge- wohnheit ſeinen Irrwahn tilgen, ihn von der Gewißheit uͤberzeugen wuͤrde, aber kei- ne Zeit, keine Arzenei, keine Ueberzeugung war faͤhig, das ſtokkende Rad der Einbildungs- kraft zu wenden. Es ſtand, und in dieſem das Bild des Traumes und Truges. Nur ein aͤhnliches, noch weit ſchrecklicheres Bild geſellte ſich noch zu dieſem. Er glaubte in der Folge, daß ſein Weib, ſeine Kinder, ſelbſt die wohlthaͤtige Fuͤrſtin geſtorben waͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/184
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/184>, abgerufen am 22.11.2024.