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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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Gewohnheit zur Annahme der Waffen gezwun-
gen wurden.

Zu eben dieser Zeit lebte in der Haupt-
stadt ein nicht reicher, aber auch nicht ganz
armer Bürger, welcher einen einzigen Sohn
hatte. Als dieser, gleich einer Pappel am
wasserreichen Flusse empor wuchs, prophezei-
ten ihm schon seine Freunde und Verwandte
mit kummervollem Blicke, daß er einst als
Granadier im fürstlichen Schlosse Wache ste-
hen würde. Dem sorglosen Jünglinge war
diese Weissagung sehr gleichgültig, weil er nur
das Gegenwärtige zu genüssen suchte, und der
Zukunft nie gedachte; aber dem liebenden
Vater, der zärtlichen Mutter verbitterte sie
oft manche frohe Stunde. Der Wohlstand
des erstern hing ganz allein vom thätigen
Betriebe seines Handwerks ab, er hofte in
seinem Sohne einen Gehülfen zu erziehen,
ihm in seinen alten Tagen alles zu überge-

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Gewohnheit zur Annahme der Waffen gezwun-
gen wurden.

Zu eben dieſer Zeit lebte in der Haupt-
ſtadt ein nicht reicher, aber auch nicht ganz
armer Buͤrger, welcher einen einzigen Sohn
hatte. Als dieſer, gleich einer Pappel am
waſſerreichen Fluſſe empor wuchs, prophezei-
ten ihm ſchon ſeine Freunde und Verwandte
mit kummervollem Blicke, daß er einſt als
Granadier im fuͤrſtlichen Schloſſe Wache ſte-
hen wuͤrde. Dem ſorgloſen Juͤnglinge war
dieſe Weiſſagung ſehr gleichguͤltig, weil er nur
das Gegenwaͤrtige zu genuͤſſen ſuchte, und der
Zukunft nie gedachte; aber dem liebenden
Vater, der zaͤrtlichen Mutter verbitterte ſie
oft manche frohe Stunde. Der Wohlſtand
des erſtern hing ganz allein vom thaͤtigen
Betriebe ſeines Handwerks ab, er hofte in
ſeinem Sohne einen Gehuͤlfen zu erziehen,
ihm in ſeinen alten Tagen alles zu uͤberge-

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[3/0013] Gewohnheit zur Annahme der Waffen gezwun- gen wurden. Zu eben dieſer Zeit lebte in der Haupt- ſtadt ein nicht reicher, aber auch nicht ganz armer Buͤrger, welcher einen einzigen Sohn hatte. Als dieſer, gleich einer Pappel am waſſerreichen Fluſſe empor wuchs, prophezei- ten ihm ſchon ſeine Freunde und Verwandte mit kummervollem Blicke, daß er einſt als Granadier im fuͤrſtlichen Schloſſe Wache ſte- hen wuͤrde. Dem ſorgloſen Juͤnglinge war dieſe Weiſſagung ſehr gleichguͤltig, weil er nur das Gegenwaͤrtige zu genuͤſſen ſuchte, und der Zukunft nie gedachte; aber dem liebenden Vater, der zaͤrtlichen Mutter verbitterte ſie oft manche frohe Stunde. Der Wohlſtand des erſtern hing ganz allein vom thaͤtigen Betriebe ſeines Handwerks ab, er hofte in ſeinem Sohne einen Gehuͤlfen zu erziehen, ihm in ſeinen alten Tagen alles zu uͤberge- A 2

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/13>, abgerufen am 21.11.2024.