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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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in seine Gemächer zu dringen, aber die auf-
merksame Wache vereitelte jede ihrer Bemü-
hungen, sie wollte zu ihrer Freundin, zur
gütigen Fürstin eilen, aber auch hier versagte
ihr die Wache den Zutritt, und ob sie gleich
täglich auf Gelegenheit lauerte, die Fürstin
auf einem ihrer gewöhnlichen Spaziergänge
zu sprechen, so ward ihr doch am Ende die
traurige Nachricht, daß der Fürst seiner Ge-
mahlin sehr streng begegne, und jeden Spa-
ziergang untersagt habe. Eben sah sie mit
größtem Verlangen einer Antwort auf einen
Brief entgegen, den eine alte Kammerfrau,
durch ihre Thränen erweicht, der Fürstin
heimlich zu übergeben, versprochen hatten,
als die Kommissäre in ihr Zimmer traten,
und der Unglücklichen ohne Schonung bekannt
machten, was der Fürst kurz vorher unter-
zeichnet hatte.

in ſeine Gemaͤcher zu dringen, aber die auf-
merkſame Wache vereitelte jede ihrer Bemuͤ-
hungen, ſie wollte zu ihrer Freundin, zur
guͤtigen Fuͤrſtin eilen, aber auch hier verſagte
ihr die Wache den Zutritt, und ob ſie gleich
taͤglich auf Gelegenheit lauerte, die Fuͤrſtin
auf einem ihrer gewoͤhnlichen Spaziergaͤnge
zu ſprechen, ſo ward ihr doch am Ende die
traurige Nachricht, daß der Fuͤrſt ſeiner Ge-
mahlin ſehr ſtreng begegne, und jeden Spa-
ziergang unterſagt habe. Eben ſah ſie mit
groͤßtem Verlangen einer Antwort auf einen
Brief entgegen, den eine alte Kammerfrau,
durch ihre Thraͤnen erweicht, der Fuͤrſtin
heimlich zu uͤbergeben, verſprochen hatten,
als die Kommiſſaͤre in ihr Zimmer traten,
und der Ungluͤcklichen ohne Schonung bekannt
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[110/0120] in ſeine Gemaͤcher zu dringen, aber die auf- merkſame Wache vereitelte jede ihrer Bemuͤ- hungen, ſie wollte zu ihrer Freundin, zur guͤtigen Fuͤrſtin eilen, aber auch hier verſagte ihr die Wache den Zutritt, und ob ſie gleich taͤglich auf Gelegenheit lauerte, die Fuͤrſtin auf einem ihrer gewoͤhnlichen Spaziergaͤnge zu ſprechen, ſo ward ihr doch am Ende die traurige Nachricht, daß der Fuͤrſt ſeiner Ge- mahlin ſehr ſtreng begegne, und jeden Spa- ziergang unterſagt habe. Eben ſah ſie mit groͤßtem Verlangen einer Antwort auf einen Brief entgegen, den eine alte Kammerfrau, durch ihre Thraͤnen erweicht, der Fuͤrſtin heimlich zu uͤbergeben, verſprochen hatten, als die Kommiſſaͤre in ihr Zimmer traten, und der Ungluͤcklichen ohne Schonung bekannt machten, was der Fuͤrſt kurz vorher unter- zeichnet hatte.

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/120>, abgerufen am 03.05.2024.