ich kam am vorigen Tage im Walde an, er- fuhr durch einen Holzbauer, daß sie tödlich krank wären. Da nun auch der einzige Wunsch meines Herzens vernichtet war, so ward end- lich der lange Vorsatz zur unglücklichen That. Das Gefühl des Todes war schrecklich, ich würde ewig unglücklich sein, wenn sie mich nicht gerettet hätten.
Der Jüngling schwieg, Amalie wollte sprechen, ihm wenigstens für sein Zutrauen danken, und mit der angenehmern Zu- kunft trösten, aber sie vermochte es nicht, denn seine Erzählung hatte Sturm in ihrem Busen erregt. Ihr liebendes Herz hatte schreckliche Qualen geduldet, als er ihr er- zählte, daß er schon verlobt sei, und die Verlobte auch als Mutter noch liebe, sie nicht vergessen könne; es hatte neue Hofnung ge- schöpft und Wonne gefühlt, als der Jüngling so offen bekannte, daß ihr Anblick der Ver-
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ich kam am vorigen Tage im Walde an, er- fuhr durch einen Holzbauer, daß ſie toͤdlich krank waͤren. Da nun auch der einzige Wunſch meines Herzens vernichtet war, ſo ward end- lich der lange Vorſatz zur ungluͤcklichen That. Das Gefuͤhl des Todes war ſchrecklich, ich wuͤrde ewig ungluͤcklich ſein, wenn ſie mich nicht gerettet haͤtten.
Der Juͤngling ſchwieg, Amalie wollte ſprechen, ihm wenigſtens fuͤr ſein Zutrauen danken, und mit der angenehmern Zu- kunft troͤſten, aber ſie vermochte es nicht, denn ſeine Erzaͤhlung hatte Sturm in ihrem Buſen erregt. Ihr liebendes Herz hatte ſchreckliche Qualen geduldet, als er ihr er- zaͤhlte, daß er ſchon verlobt ſei, und die Verlobte auch als Mutter noch liebe, ſie nicht vergeſſen koͤnne; es hatte neue Hofnung ge- ſchoͤpft und Wonne gefuͤhlt, als der Juͤngling ſo offen bekannte, daß ihr Anblick der Ver-
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ich kam am vorigen Tage im Walde an, er-
fuhr durch einen Holzbauer, daß ſie toͤdlich
krank waͤren. Da nun auch der einzige Wunſch
meines Herzens vernichtet war, ſo ward end-
lich der lange Vorſatz zur ungluͤcklichen That.
Das Gefuͤhl des Todes war ſchrecklich, ich
wuͤrde ewig ungluͤcklich ſein, wenn ſie mich
nicht gerettet haͤtten.
Der Juͤngling ſchwieg, Amalie wollte
ſprechen, ihm wenigſtens fuͤr ſein Zutrauen
danken, und mit der angenehmern Zu-
kunft troͤſten, aber ſie vermochte es nicht,
denn ſeine Erzaͤhlung hatte Sturm in ihrem
Buſen erregt. Ihr liebendes Herz hatte
ſchreckliche Qualen geduldet, als er ihr er-
zaͤhlte, daß er ſchon verlobt ſei, und die
Verlobte auch als Mutter noch liebe, ſie nicht
vergeſſen koͤnne; es hatte neue Hofnung ge-
ſchoͤpft und Wonne gefuͤhlt, als der Juͤngling
ſo offen bekannte, daß ihr Anblick der Ver-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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