geschrieben standen: Alles was du, ungera- thener Sohn, bisher besaßest, war ein Ge- schenk deines Vaters, er nimmts zurück, weil du dich des Namens eines Sohnes un- würdig gemacht hast, er läßt dir nur so viel, als einem Bettler, wie du in der Zukunft sein wirst, nöthig ist. Willst du seinen letz- ten Rath achten, so werde Soldat; Preußen und Oestereich rüsten sich itzt gegen einander; wo du hingehst, wirst du eine Kugel finden, die dein Lohn sein wird, wenn du es je wie- der wagst, dich meinem Angesichte zu nä- hern, oder mich Vater zu nennen. -- -- Dies schreckliche Todes-Urtheil eines Vaters war itzt, nebst einem kleinen Bündel Wäsche, den mir der Jäger übergab, mein ganzer Reichthum. Ich irrte damit planlos umher, ruhte in Wäldern und Felsenhöhlen, floh und haßte die Menschen, suchte sie nur dann, wenn der Hunger mehr als mein innerer Schmerz an mir nagte.
geſchrieben ſtanden: Alles was du, ungera- thener Sohn, bisher beſaßeſt, war ein Ge- ſchenk deines Vaters, er nimmts zuruͤck, weil du dich des Namens eines Sohnes un- wuͤrdig gemacht haſt, er laͤßt dir nur ſo viel, als einem Bettler, wie du in der Zukunft ſein wirſt, noͤthig iſt. Willſt du ſeinen letz- ten Rath achten, ſo werde Soldat; Preußen und Oeſtereich ruͤſten ſich itzt gegen einander; wo du hingehſt, wirſt du eine Kugel finden, die dein Lohn ſein wird, wenn du es je wie- der wagſt, dich meinem Angeſichte zu naͤ- hern, oder mich Vater zu nennen. — — Dies ſchreckliche Todes-Urtheil eines Vaters war itzt, nebſt einem kleinen Buͤndel Waͤſche, den mir der Jaͤger uͤbergab, mein ganzer Reichthum. Ich irrte damit planlos umher, ruhte in Waͤldern und Felſenhoͤhlen, floh und haßte die Menſchen, ſuchte ſie nur dann, wenn der Hunger mehr als mein innerer Schmerz an mir nagte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0092"n="78"/>
geſchrieben ſtanden: Alles was du, ungera-<lb/>
thener Sohn, bisher beſaßeſt, war ein Ge-<lb/>ſchenk deines Vaters, er nimmts zuruͤck,<lb/>
weil du dich des Namens eines Sohnes un-<lb/>
wuͤrdig gemacht haſt, er laͤßt dir nur ſo viel,<lb/>
als einem Bettler, wie du in der Zukunft<lb/>ſein wirſt, noͤthig iſt. Willſt du ſeinen letz-<lb/>
ten Rath achten, ſo werde Soldat; Preußen<lb/>
und Oeſtereich ruͤſten ſich itzt gegen einander;<lb/>
wo du hingehſt, wirſt du eine Kugel finden,<lb/>
die dein Lohn ſein wird, wenn du es je wie-<lb/>
der wagſt, dich meinem Angeſichte zu naͤ-<lb/>
hern, oder mich Vater zu nennen. ——<lb/>
Dies ſchreckliche Todes-Urtheil eines Vaters<lb/>
war itzt, nebſt einem kleinen Buͤndel Waͤſche,<lb/>
den mir der Jaͤger uͤbergab, mein ganzer<lb/>
Reichthum. Ich irrte damit planlos umher,<lb/>
ruhte in Waͤldern und Felſenhoͤhlen, floh und<lb/>
haßte die Menſchen, ſuchte ſie nur dann,<lb/>
wenn der Hunger mehr als mein innerer<lb/>
Schmerz an mir nagte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[78/0092]
geſchrieben ſtanden: Alles was du, ungera-
thener Sohn, bisher beſaßeſt, war ein Ge-
ſchenk deines Vaters, er nimmts zuruͤck,
weil du dich des Namens eines Sohnes un-
wuͤrdig gemacht haſt, er laͤßt dir nur ſo viel,
als einem Bettler, wie du in der Zukunft
ſein wirſt, noͤthig iſt. Willſt du ſeinen letz-
ten Rath achten, ſo werde Soldat; Preußen
und Oeſtereich ruͤſten ſich itzt gegen einander;
wo du hingehſt, wirſt du eine Kugel finden,
die dein Lohn ſein wird, wenn du es je wie-
der wagſt, dich meinem Angeſichte zu naͤ-
hern, oder mich Vater zu nennen. — —
Dies ſchreckliche Todes-Urtheil eines Vaters
war itzt, nebſt einem kleinen Buͤndel Waͤſche,
den mir der Jaͤger uͤbergab, mein ganzer
Reichthum. Ich irrte damit planlos umher,
ruhte in Waͤldern und Felſenhoͤhlen, floh und
haßte die Menſchen, ſuchte ſie nur dann,
wenn der Hunger mehr als mein innerer
Schmerz an mir nagte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/92>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.