Mein Herz kannte noch nicht die Fesseln der Liebe, mein Auge hatte wohl manches Mäd- chen schön gefunden, aber mein Herz noch keins geliebt, ich hofte daher mit Grunde, daß sie mich leiten, mit dem besten und tu- gendhaftesten Mädchen der Gegend bekannt machen würde.
Die theure, mir ewig unvergeßliche Mutter vergoß Thränen der Freude, als sie meine Bitte hörte, sie hatte schon oft in den angenehmen Stunden der Einsamkeit, in wel- chen sie ungehindert träumen und wünschen konnte, mir eine Gattin auserkohren, sie versprach mich heute noch mit ihr bekannt zu machen, und fuhr mit mir in die nahe Nach- barschaft, wo ein alter Edelmann haußte, welcher Ahnen genug, Geld aber um so we- niger hatte, überdies kein Federheld, sondern ein ächter Jäger und Ritter war. Meine Mutter hatte mir schon unterwegs erzählt,
Mein Herz kannte noch nicht die Feſſeln der Liebe, mein Auge hatte wohl manches Maͤd- chen ſchoͤn gefunden, aber mein Herz noch keins geliebt, ich hofte daher mit Grunde, daß ſie mich leiten, mit dem beſten und tu- gendhafteſten Maͤdchen der Gegend bekannt machen wuͤrde.
Die theure, mir ewig unvergeßliche Mutter vergoß Thraͤnen der Freude, als ſie meine Bitte hoͤrte, ſie hatte ſchon oft in den angenehmen Stunden der Einſamkeit, in wel- chen ſie ungehindert traͤumen und wuͤnſchen konnte, mir eine Gattin auserkohren, ſie verſprach mich heute noch mit ihr bekannt zu machen, und fuhr mit mir in die nahe Nach- barſchaft, wo ein alter Edelmann haußte, welcher Ahnen genug, Geld aber um ſo we- niger hatte, uͤberdies kein Federheld, ſondern ein aͤchter Jaͤger und Ritter war. Meine Mutter hatte mir ſchon unterwegs erzaͤhlt,
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Mein Herz kannte noch nicht die Feſſeln der
Liebe, mein Auge hatte wohl manches Maͤd-
chen ſchoͤn gefunden, aber mein Herz noch
keins geliebt, ich hofte daher mit Grunde,
daß ſie mich leiten, mit dem beſten und tu-
gendhafteſten Maͤdchen der Gegend bekannt
machen wuͤrde.
Die theure, mir ewig unvergeßliche
Mutter vergoß Thraͤnen der Freude, als ſie
meine Bitte hoͤrte, ſie hatte ſchon oft in den
angenehmen Stunden der Einſamkeit, in wel-
chen ſie ungehindert traͤumen und wuͤnſchen
konnte, mir eine Gattin auserkohren, ſie
verſprach mich heute noch mit ihr bekannt zu
machen, und fuhr mit mir in die nahe Nach-
barſchaft, wo ein alter Edelmann haußte,
welcher Ahnen genug, Geld aber um ſo we-
niger hatte, uͤberdies kein Federheld, ſondern
ein aͤchter Jaͤger und Ritter war. Meine
Mutter hatte mir ſchon unterwegs erzaͤhlt,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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