standen mit Fackeln an ihrem Lager, rissen sie empor, und trugen sie nach dem Vorhofe. Die Mutter stand schon weinend und hände- ringend unter einem Haufen anderer Män- ner, welche das Kind nicht kannte. Die Veste stand in Flammen, den Vater sah man nicht. Andere Fremde brachten Rosse herbei, die Mutter mußte eines derselben besteigen; viele Reuter umgaben sie, einer derselben reichte der Mutter das Kind.
Lange, lange zogen sie vorwärts, muß- ten oft im Forste schlafen, dann und wann auch hungern. Ehe die Sonne am Tage zu- vor unterging, kamen sie in eine wilde Ge- gend, wo man nichts als Felsen und Steine sah; die Mutter weinte viel. In der Nacht erwachte das Kind auf dem Arme der Mut- ter, diese lief schnell und eilend, sprang wie ein Reh über Steine und Felsen hinweg, und langte endlich am Thore der Veste an, wo
ſtanden mit Fackeln an ihrem Lager, riſſen ſie empor, und trugen ſie nach dem Vorhofe. Die Mutter ſtand ſchon weinend und haͤnde- ringend unter einem Haufen anderer Maͤn- ner, welche das Kind nicht kannte. Die Veſte ſtand in Flammen, den Vater ſah man nicht. Andere Fremde brachten Roſſe herbei, die Mutter mußte eines derſelben beſteigen; viele Reuter umgaben ſie, einer derſelben reichte der Mutter das Kind.
Lange, lange zogen ſie vorwaͤrts, muß- ten oft im Forſte ſchlafen, dann und wann auch hungern. Ehe die Sonne am Tage zu- vor unterging, kamen ſie in eine wilde Ge- gend, wo man nichts als Felſen und Steine ſah; die Mutter weinte viel. In der Nacht erwachte das Kind auf dem Arme der Mut- ter, dieſe lief ſchnell und eilend, ſprang wie ein Reh uͤber Steine und Felſen hinweg, und langte endlich am Thore der Veſte an, wo
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ſtanden mit Fackeln an ihrem Lager, riſſen ſie
empor, und trugen ſie nach dem Vorhofe.
Die Mutter ſtand ſchon weinend und haͤnde-
ringend unter einem Haufen anderer Maͤn-
ner, welche das Kind nicht kannte. Die
Veſte ſtand in Flammen, den Vater ſah man
nicht. Andere Fremde brachten Roſſe herbei,
die Mutter mußte eines derſelben beſteigen;
viele Reuter umgaben ſie, einer derſelben
reichte der Mutter das Kind.
Lange, lange zogen ſie vorwaͤrts, muß-
ten oft im Forſte ſchlafen, dann und wann
auch hungern. Ehe die Sonne am Tage zu-
vor unterging, kamen ſie in eine wilde Ge-
gend, wo man nichts als Felſen und Steine
ſah; die Mutter weinte viel. In der Nacht
erwachte das Kind auf dem Arme der Mut-
ter, dieſe lief ſchnell und eilend, ſprang wie
ein Reh uͤber Steine und Felſen hinweg, und
langte endlich am Thore der Veſte an, wo
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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