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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Die Mönche verpflegten ihn einige Zeit in ih-
rem Kloster, als aber der arme Wahnsinnige
ihre klösterliche Einsamkeit mächtig stöhrte, da
meldeten sie es den Maltheserrittern, und die-
se übergaben ihn meiner Pflege.

Er lebt in seinem Wahnsinne froh und
glücklich, er glaubt, daß er ein äusserst rei-
cher, christlicher Kaufmann zu Emirna sei,
achtet den Wärter für seinen Buchhalter, und
sendet ihn täglich aus, um Christensklaven
los zu kaufen. Wenn er dann in meiner
oder eines Fremden Gesellschaft vor ihm er-
scheint, so hält er diese für erlöste Sklaven,
und schenkt ihnen die Freiheit.

Auch er könnte ungehindert und frei im
Saale und Vorhofe umher wandeln, wenn
er nicht die übrigen Wahnsinnigen zur Wuth
reizte. Sein Wahnsinn achtet sie alle für
Sklaven, er erlöst sie in seiner glücklichen

Die Moͤnche verpflegten ihn einige Zeit in ih-
rem Kloſter, als aber der arme Wahnſinnige
ihre kloͤſterliche Einſamkeit maͤchtig ſtoͤhrte, da
meldeten ſie es den Maltheſerrittern, und die-
ſe uͤbergaben ihn meiner Pflege.

Er lebt in ſeinem Wahnſinne froh und
gluͤcklich, er glaubt, daß er ein aͤuſſerſt rei-
cher, chriſtlicher Kaufmann zu Emirna ſei,
achtet den Waͤrter fuͤr ſeinen Buchhalter, und
ſendet ihn taͤglich aus, um Chriſtenſklaven
los zu kaufen. Wenn er dann in meiner
oder eines Fremden Geſellſchaft vor ihm er-
ſcheint, ſo haͤlt er dieſe fuͤr erloͤſte Sklaven,
und ſchenkt ihnen die Freiheit.

Auch er koͤnnte ungehindert und frei im
Saale und Vorhofe umher wandeln, wenn
er nicht die uͤbrigen Wahnſinnigen zur Wuth
reizte. Sein Wahnſinn achtet ſie alle fuͤr
Sklaven, er erloͤſt ſie in ſeiner gluͤcklichen

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[267/0281] Die Moͤnche verpflegten ihn einige Zeit in ih- rem Kloſter, als aber der arme Wahnſinnige ihre kloͤſterliche Einſamkeit maͤchtig ſtoͤhrte, da meldeten ſie es den Maltheſerrittern, und die- ſe uͤbergaben ihn meiner Pflege. Er lebt in ſeinem Wahnſinne froh und gluͤcklich, er glaubt, daß er ein aͤuſſerſt rei- cher, chriſtlicher Kaufmann zu Emirna ſei, achtet den Waͤrter fuͤr ſeinen Buchhalter, und ſendet ihn taͤglich aus, um Chriſtenſklaven los zu kaufen. Wenn er dann in meiner oder eines Fremden Geſellſchaft vor ihm er- ſcheint, ſo haͤlt er dieſe fuͤr erloͤſte Sklaven, und ſchenkt ihnen die Freiheit. Auch er koͤnnte ungehindert und frei im Saale und Vorhofe umher wandeln, wenn er nicht die uͤbrigen Wahnſinnigen zur Wuth reizte. Sein Wahnſinn achtet ſie alle fuͤr Sklaven, er erloͤſt ſie in ſeiner gluͤcklichen

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/281>, abgerufen am 26.11.2024.