sicherungen eines Einzigen, der ihr anhal- tend nachschlich, ihr die Möglichkeit bewieß, daß er sie heurathen, und in seiner Heimath mit ihr zufrieden und glücklich leben könne. Sie gestand ihm Gegenliebe, sie erlaubte ihm Küsse, vergalt sogar einige derselben, aber sie kämpfte wacker, und stieß ihn mu- thig von sich, wenn der Kühne mehr noch fordern wollte.
Die leichtsinnige, treulose Stiefmutter hörte diese Nachricht mit innigem Verdrusse; um -- es ist schändlich, aber wahr -- um Mariens schlafende Begierden zu wecken, hatte sie oft in ihrer Gegenwart den Liebha- ber Gunstbezeugungen gewährt, die ihre Un- treue an ihrem Ehemanne nur allzu deutlich bestätigten; izt nahte bald die Zeit seiner Heimkehr, ihr grante vor Entdeckung, sie vermuthete sogar, daß Marie blos deswegen so wacker kämpfe, um ungescheut Verräthe-
ſicherungen eines Einzigen, der ihr anhal- tend nachſchlich, ihr die Moͤglichkeit bewieß, daß er ſie heurathen, und in ſeiner Heimath mit ihr zufrieden und gluͤcklich leben koͤnne. Sie geſtand ihm Gegenliebe, ſie erlaubte ihm Kuͤſſe, vergalt ſogar einige derſelben, aber ſie kaͤmpfte wacker, und ſtieß ihn mu- thig von ſich, wenn der Kuͤhne mehr noch fordern wollte.
Die leichtſinnige, treuloſe Stiefmutter hoͤrte dieſe Nachricht mit innigem Verdruſſe; um — es iſt ſchaͤndlich, aber wahr — um Mariens ſchlafende Begierden zu wecken, hatte ſie oft in ihrer Gegenwart den Liebha- ber Gunſtbezeugungen gewaͤhrt, die ihre Un- treue an ihrem Ehemanne nur allzu deutlich beſtaͤtigten; izt nahte bald die Zeit ſeiner Heimkehr, ihr grante vor Entdeckung, ſie vermuthete ſogar, daß Marie blos deswegen ſo wacker kaͤmpfe, um ungeſcheut Verraͤthe-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0204"n="190"/>ſicherungen eines Einzigen, der ihr anhal-<lb/>
tend nachſchlich, ihr die Moͤglichkeit bewieß,<lb/>
daß er ſie heurathen, und in ſeiner Heimath<lb/>
mit ihr zufrieden und gluͤcklich leben koͤnne.<lb/>
Sie geſtand ihm Gegenliebe, ſie erlaubte<lb/>
ihm Kuͤſſe, vergalt ſogar einige derſelben,<lb/>
aber ſie kaͤmpfte wacker, und ſtieß ihn mu-<lb/>
thig von ſich, wenn der Kuͤhne mehr noch<lb/>
fordern wollte.</p><lb/><p>Die leichtſinnige, treuloſe Stiefmutter<lb/>
hoͤrte dieſe Nachricht mit innigem Verdruſſe;<lb/>
um — es iſt ſchaͤndlich, aber wahr — um<lb/>
Mariens ſchlafende Begierden zu wecken,<lb/>
hatte ſie oft in ihrer Gegenwart den Liebha-<lb/>
ber Gunſtbezeugungen gewaͤhrt, die ihre Un-<lb/>
treue an ihrem Ehemanne nur allzu deutlich<lb/>
beſtaͤtigten; izt nahte bald die Zeit ſeiner<lb/>
Heimkehr, ihr grante vor Entdeckung, ſie<lb/>
vermuthete ſogar, daß Marie blos deswegen<lb/>ſo wacker kaͤmpfe, um ungeſcheut Verraͤthe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[190/0204]
ſicherungen eines Einzigen, der ihr anhal-
tend nachſchlich, ihr die Moͤglichkeit bewieß,
daß er ſie heurathen, und in ſeiner Heimath
mit ihr zufrieden und gluͤcklich leben koͤnne.
Sie geſtand ihm Gegenliebe, ſie erlaubte
ihm Kuͤſſe, vergalt ſogar einige derſelben,
aber ſie kaͤmpfte wacker, und ſtieß ihn mu-
thig von ſich, wenn der Kuͤhne mehr noch
fordern wollte.
Die leichtſinnige, treuloſe Stiefmutter
hoͤrte dieſe Nachricht mit innigem Verdruſſe;
um — es iſt ſchaͤndlich, aber wahr — um
Mariens ſchlafende Begierden zu wecken,
hatte ſie oft in ihrer Gegenwart den Liebha-
ber Gunſtbezeugungen gewaͤhrt, die ihre Un-
treue an ihrem Ehemanne nur allzu deutlich
beſtaͤtigten; izt nahte bald die Zeit ſeiner
Heimkehr, ihr grante vor Entdeckung, ſie
vermuthete ſogar, daß Marie blos deswegen
ſo wacker kaͤmpfe, um ungeſcheut Verraͤthe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/204>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.