Briefe, alles zu erfüllen, was ihr geliebtes Kind fordere, zur Vermehrung ihres Glücks heische, und beschwor nur am Ende ihre Tochter, ihr wenigstens doch noch einmal in ihrem Leben die Wonne zu gönnen, sie zu umarmen, und zu segnen.
Hoffend und fürchtend verstrichen nun ei- nige Monate ohne weitere Nachricht. Die aufs Neue leidende Mutter wandte sich des- wegen an den Wechsler R --. zu Lübeck. Er berichtete ihr, daß er das Geld richtig erhalten, es laut Ordre an einen jungen, schönen aber ganz unbekannten --schen Offizier ausgezahlt habe, und sonst nichts berichten könne.
Neue Monate verflossen ohne Trost; das Leiden der duldenden Mutter mehrte sich, nagte an ihrem Leben, und vernichtete es ganz, als die Blätter wieder zu sprossen be-
Briefe, alles zu erfuͤllen, was ihr geliebtes Kind fordere, zur Vermehrung ihres Gluͤcks heiſche, und beſchwor nur am Ende ihre Tochter, ihr wenigſtens doch noch einmal in ihrem Leben die Wonne zu goͤnnen, ſie zu umarmen, und zu ſegnen.
Hoffend und fuͤrchtend verſtrichen nun ei- nige Monate ohne weitere Nachricht. Die aufs Neue leidende Mutter wandte ſich des- wegen an den Wechsler R —. zu Luͤbeck. Er berichtete ihr, daß er das Geld richtig erhalten, es laut Ordre an einen jungen, ſchoͤnen aber ganz unbekannten —ſchen Offizier ausgezahlt habe, und ſonſt nichts berichten koͤnne.
Neue Monate verfloſſen ohne Troſt; das Leiden der duldenden Mutter mehrte ſich, nagte an ihrem Leben, und vernichtete es ganz, als die Blaͤtter wieder zu ſproſſen be-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0125"n="111"/>
Briefe, alles zu erfuͤllen, was ihr geliebtes<lb/>
Kind fordere, zur Vermehrung ihres Gluͤcks<lb/>
heiſche, und beſchwor nur am Ende ihre<lb/>
Tochter, ihr wenigſtens doch noch einmal in<lb/>
ihrem Leben die Wonne zu goͤnnen, ſie zu<lb/>
umarmen, und zu ſegnen.</p><lb/><p>Hoffend und fuͤrchtend verſtrichen nun ei-<lb/>
nige Monate ohne weitere Nachricht. Die<lb/>
aufs Neue leidende Mutter wandte ſich des-<lb/>
wegen an den Wechsler R —. zu Luͤbeck.<lb/>
Er berichtete ihr, daß er das Geld richtig<lb/>
erhalten, es laut Ordre an einen jungen,<lb/>ſchoͤnen aber ganz unbekannten —ſchen Offizier<lb/><choice><sic>ansgezahlt</sic><corr>ausgezahlt</corr></choice> habe, und ſonſt nichts berichten<lb/>
koͤnne.</p><lb/><p>Neue Monate verfloſſen ohne Troſt; das<lb/>
Leiden der duldenden Mutter mehrte ſich,<lb/>
nagte an ihrem Leben, und vernichtete es<lb/>
ganz, als die Blaͤtter wieder zu ſproſſen be-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0125]
Briefe, alles zu erfuͤllen, was ihr geliebtes
Kind fordere, zur Vermehrung ihres Gluͤcks
heiſche, und beſchwor nur am Ende ihre
Tochter, ihr wenigſtens doch noch einmal in
ihrem Leben die Wonne zu goͤnnen, ſie zu
umarmen, und zu ſegnen.
Hoffend und fuͤrchtend verſtrichen nun ei-
nige Monate ohne weitere Nachricht. Die
aufs Neue leidende Mutter wandte ſich des-
wegen an den Wechsler R —. zu Luͤbeck.
Er berichtete ihr, daß er das Geld richtig
erhalten, es laut Ordre an einen jungen,
ſchoͤnen aber ganz unbekannten —ſchen Offizier
ausgezahlt habe, und ſonſt nichts berichten
koͤnne.
Neue Monate verfloſſen ohne Troſt; das
Leiden der duldenden Mutter mehrte ſich,
nagte an ihrem Leben, und vernichtete es
ganz, als die Blaͤtter wieder zu ſproſſen be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/125>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.