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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

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ser Brandwein, die ich ihm in der Schenke rei-
chen ließ, seinen Muth zu stärken. Er versprach
aufs neue, die That ganz sicher auszuführen,
hatte sogar gegründete Ursache dazu, weil er in
der Abwesenheit des Meisters, durch zu wenige
Wachsamkeit Schaden im Getreide verursacht hat-
te, Klage und neue Schläge fürchten mußte.

Wir giengen zwei Stunden weit, ehe wir den
Meister trafen, er dankte liebreich für unsere
Sorgfalt, gab mir den Sack mit Salze zu tra-
gen, und wanderte vor uns her. Oft fragte
mich der Bube heimlich: ob er schießen sollte?
aber immer war mirs unmöglich zu antworten,
mein Wink verzögerte die That oft. Als wir
aber schon nahe am Dorfe das Ende des Waldes
erreichten, und der vorausgehende Meister sich so
innig freute, daß er nun bald den Kummer des
geliebten Weibes enden würde, da entbrannte
meine Eifersucht, ich winkte dem Buben, er
schoß, und der Meister stürzte zu Boden.

Angst und Furcht ergriff mich, als er kläglich
am Boden wimmerte, uns oft fragte: womit er
uns beleidigt hätte? warum wir ihn so grausam
ermorden wollten? Mehr als zehnmal hob ich
meinen schweren Stock in die Höhe, um ihn vol-
lends todt zu schlagen, aber immer sank er ent-
kräftet zurück, weil der Verwundete mich so äu-
serst rührend bat, mich wenigstens seiner armen
Seele zu erbarmen, diese nicht zu morden, und

ihm

ſer Brandwein, die ich ihm in der Schenke rei-
chen ließ, ſeinen Muth zu ſtaͤrken. Er verſprach
aufs neue, die That ganz ſicher auszufuͤhren,
hatte ſogar gegruͤndete Urſache dazu, weil er in
der Abweſenheit des Meiſters, durch zu wenige
Wachſamkeit Schaden im Getreide verurſacht hat-
te, Klage und neue Schlaͤge fuͤrchten mußte.

Wir giengen zwei Stunden weit, ehe wir den
Meiſter trafen, er dankte liebreich fuͤr unſere
Sorgfalt, gab mir den Sack mit Salze zu tra-
gen, und wanderte vor uns her. Oft fragte
mich der Bube heimlich: ob er ſchießen ſollte?
aber immer war mirs unmoͤglich zu antworten,
mein Wink verzoͤgerte die That oft. Als wir
aber ſchon nahe am Dorfe das Ende des Waldes
erreichten, und der vorausgehende Meiſter ſich ſo
innig freute, daß er nun bald den Kummer des
geliebten Weibes enden wuͤrde, da entbrannte
meine Eiferſucht, ich winkte dem Buben, er
ſchoß, und der Meiſter ſtuͤrzte zu Boden.

Angſt und Furcht ergriff mich, als er klaͤglich
am Boden wimmerte, uns oft fragte: womit er
uns beleidigt haͤtte? warum wir ihn ſo grauſam
ermorden wollten? Mehr als zehnmal hob ich
meinen ſchweren Stock in die Hoͤhe, um ihn vol-
lends todt zu ſchlagen, aber immer ſank er ent-
kraͤftet zuruͤck, weil der Verwundete mich ſo aͤu-
ſerſt ruͤhrend bat, mich wenigſtens ſeiner armen
Seele zu erbarmen, dieſe nicht zu morden, und

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[174/0182] ſer Brandwein, die ich ihm in der Schenke rei- chen ließ, ſeinen Muth zu ſtaͤrken. Er verſprach aufs neue, die That ganz ſicher auszufuͤhren, hatte ſogar gegruͤndete Urſache dazu, weil er in der Abweſenheit des Meiſters, durch zu wenige Wachſamkeit Schaden im Getreide verurſacht hat- te, Klage und neue Schlaͤge fuͤrchten mußte. Wir giengen zwei Stunden weit, ehe wir den Meiſter trafen, er dankte liebreich fuͤr unſere Sorgfalt, gab mir den Sack mit Salze zu tra- gen, und wanderte vor uns her. Oft fragte mich der Bube heimlich: ob er ſchießen ſollte? aber immer war mirs unmoͤglich zu antworten, mein Wink verzoͤgerte die That oft. Als wir aber ſchon nahe am Dorfe das Ende des Waldes erreichten, und der vorausgehende Meiſter ſich ſo innig freute, daß er nun bald den Kummer des geliebten Weibes enden wuͤrde, da entbrannte meine Eiferſucht, ich winkte dem Buben, er ſchoß, und der Meiſter ſtuͤrzte zu Boden. Angſt und Furcht ergriff mich, als er klaͤglich am Boden wimmerte, uns oft fragte: womit er uns beleidigt haͤtte? warum wir ihn ſo grauſam ermorden wollten? Mehr als zehnmal hob ich meinen ſchweren Stock in die Hoͤhe, um ihn vol- lends todt zu ſchlagen, aber immer ſank er ent- kraͤftet zuruͤck, weil der Verwundete mich ſo aͤu- ſerſt ruͤhrend bat, mich wenigſtens ſeiner armen Seele zu erbarmen, dieſe nicht zu morden, und ihm

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/182>, abgerufen am 07.05.2024.