Verzweiflung ächter Bruder, der schreckliche Wahnsinn, deckte ihn mit seinen Fittigen, und tränkte ihn mit Opium, dessen Wirkung oft wohl- thätig, oft auch schrecklich ist.
Karolinens Vater duldete im Stillen, aber seine Quaal war ebenfalls groß, Gewissensvor- würfe vermehrten sie, denn er war der Urheber alles Leidens. Sein Ehrgeiz, dessen ich schon ehe gedachte, vielleicht auch andre Absichten, hatten ihn zum schändlichen Truge verleitet, der jetzt so unverhofft entdeckt ward.
Als Konrad sein nahes, schreckliches Ende Ka- rolinen berichtete, auf ewig von ihr Abschied nahm, da war ihr Leiden groß, ihr Jammer ohne Gränzen. Sie fühlte es deutlich, daß er aus Liebe zu ihr desertiren wollte, nun aus Liebe zu ihr sterben mußte, und dieß vermehrte ihren Schmerz um ein Großes. Ihr Vater hätte sol- chen vierzehn Tage nachher schon mit der freu- denreichen Nachricht von Konrads Rettung lindern und enden können, denn er hatte den Brief, in welchem dieser alles berichtete, wirklich erhalten; da aber Karoline jetzt nicht mehr laut jammerte, den Schmerz nur in ihrem Innern sorgfältig nähr- te und pflegte, so hielt der Vater Rath mit sei- nem Verstande, und dieser rieth ihm, daß es weit besser sei, diese Nachricht zu verschweigen, weil die Aussicht zu Konrads Wiederkehr abermals verschwand, ihn wahrscheinlich einst eine feindliche
Verzweiflung aͤchter Bruder, der ſchreckliche Wahnſinn, deckte ihn mit ſeinen Fittigen, und traͤnkte ihn mit Opium, deſſen Wirkung oft wohl- thaͤtig, oft auch ſchrecklich iſt.
Karolinens Vater duldete im Stillen, aber ſeine Quaal war ebenfalls groß, Gewiſſensvor- wuͤrfe vermehrten ſie, denn er war der Urheber alles Leidens. Sein Ehrgeiz, deſſen ich ſchon ehe gedachte, vielleicht auch andre Abſichten, hatten ihn zum ſchaͤndlichen Truge verleitet, der jetzt ſo unverhofft entdeckt ward.
Als Konrad ſein nahes, ſchreckliches Ende Ka- rolinen berichtete, auf ewig von ihr Abſchied nahm, da war ihr Leiden groß, ihr Jammer ohne Graͤnzen. Sie fuͤhlte es deutlich, daß er aus Liebe zu ihr deſertiren wollte, nun aus Liebe zu ihr ſterben mußte, und dieß vermehrte ihren Schmerz um ein Großes. Ihr Vater haͤtte ſol- chen vierzehn Tage nachher ſchon mit der freu- denreichen Nachricht von Konrads Rettung lindern und enden koͤnnen, denn er hatte den Brief, in welchem dieſer alles berichtete, wirklich erhalten; da aber Karoline jetzt nicht mehr laut jammerte, den Schmerz nur in ihrem Innern ſorgfaͤltig naͤhr- te und pflegte, ſo hielt der Vater Rath mit ſei- nem Verſtande, und dieſer rieth ihm, daß es weit beſſer ſei, dieſe Nachricht zu verſchweigen, weil die Ausſicht zu Konrads Wiederkehr abermals verſchwand, ihn wahrſcheinlich einſt eine feindliche
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Verzweiflung aͤchter Bruder, der ſchreckliche
Wahnſinn, deckte ihn mit ſeinen Fittigen, und
traͤnkte ihn mit Opium, deſſen Wirkung oft wohl-
thaͤtig, oft auch ſchrecklich iſt.
Karolinens Vater duldete im Stillen, aber
ſeine Quaal war ebenfalls groß, Gewiſſensvor-
wuͤrfe vermehrten ſie, denn er war der Urheber
alles Leidens. Sein Ehrgeiz, deſſen ich ſchon ehe
gedachte, vielleicht auch andre Abſichten, hatten
ihn zum ſchaͤndlichen Truge verleitet, der jetzt ſo
unverhofft entdeckt ward.
Als Konrad ſein nahes, ſchreckliches Ende Ka-
rolinen berichtete, auf ewig von ihr Abſchied
nahm, da war ihr Leiden groß, ihr Jammer ohne
Graͤnzen. Sie fuͤhlte es deutlich, daß er aus
Liebe zu ihr deſertiren wollte, nun aus Liebe zu
ihr ſterben mußte, und dieß vermehrte ihren
Schmerz um ein Großes. Ihr Vater haͤtte ſol-
chen vierzehn Tage nachher ſchon mit der freu-
denreichen Nachricht von Konrads Rettung lindern
und enden koͤnnen, denn er hatte den Brief, in
welchem dieſer alles berichtete, wirklich erhalten;
da aber Karoline jetzt nicht mehr laut jammerte,
den Schmerz nur in ihrem Innern ſorgfaͤltig naͤhr-
te und pflegte, ſo hielt der Vater Rath mit ſei-
nem Verſtande, und dieſer rieth ihm, daß es
weit beſſer ſei, dieſe Nachricht zu verſchweigen,
weil die Ausſicht zu Konrads Wiederkehr abermals
verſchwand, ihn wahrſcheinlich einſt eine feindliche
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/157>, abgerufen am 15.08.2024.
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