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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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Wilhelm M***r
und
Karoline W -- g.


Im schrecklichen siebenjährigen Kriege, welcher
halb Deutschland verwüstete, manchem Hausvater
seine Haabe, mancher Mutter ihren Sohn raub-
te, reiste der junge Wilhelm auf die Universität
nach Leipzig. Sein Vater, ein Landpfarrer, war
schon längst gestorben, seine noch lebende Mutter
hatte ihr Aeusserstes gethan, um ihn auf der
Schule zu ernähren, sie konnte ihm jetzt nicht
mehr als zehn Thaler und ihren mütterlichen Se-
gen mit auf die Reise geben, sie hofte, daß der
hofnungsvolle Jüngling durch seine gute, untadel-
hafte Aufführung bald Gönner zu Leipzig finden
würde, die ihn unterstützen und Vater der ver-
laßnen
Waise werden sollten. Als er zu Kolditz
übernachtete, wurde das Städtchen von feindli-
chen Husaren überfallen, sie fanden den jungen
Wilhelm, er war schön, jung und wohlgewachsen
und wurde am andern Morgen, nebst mehrern
jungen Leuten, nach des Feindes Land geführt,
um dort als Soldat zu dienen. Seine Gelassen-
heit, mit welcher er sich in sein unverdientes
Schicksal fügte, sein Eifer, mit welchem er sich im


Wilhelm M***r
und
Karoline W — g.


Im ſchrecklichen ſiebenjaͤhrigen Kriege, welcher
halb Deutſchland verwuͤſtete, manchem Hausvater
ſeine Haabe, mancher Mutter ihren Sohn raub-
te, reiſte der junge Wilhelm auf die Univerſitaͤt
nach Leipzig. Sein Vater, ein Landpfarrer, war
ſchon laͤngſt geſtorben, ſeine noch lebende Mutter
hatte ihr Aeuſſerſtes gethan, um ihn auf der
Schule zu ernaͤhren, ſie konnte ihm jetzt nicht
mehr als zehn Thaler und ihren muͤtterlichen Se-
gen mit auf die Reiſe geben, ſie hofte, daß der
hofnungsvolle Juͤngling durch ſeine gute, untadel-
hafte Auffuͤhrung bald Goͤnner zu Leipzig finden
wuͤrde, die ihn unterſtuͤtzen und Vater der ver-
laßnen
Waiſe werden ſollten. Als er zu Kolditz
uͤbernachtete, wurde das Staͤdtchen von feindli-
chen Huſaren uͤberfallen, ſie fanden den jungen
Wilhelm, er war ſchoͤn, jung und wohlgewachſen
und wurde am andern Morgen, nebſt mehrern
jungen Leuten, nach des Feindes Land gefuͤhrt,
um dort als Soldat zu dienen. Seine Gelaſſen-
heit, mit welcher er ſich in ſein unverdientes
Schickſal fuͤgte, ſein Eifer, mit welchem er ſich im

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[59/0073] Wilhelm M***r und Karoline W — g. Im ſchrecklichen ſiebenjaͤhrigen Kriege, welcher halb Deutſchland verwuͤſtete, manchem Hausvater ſeine Haabe, mancher Mutter ihren Sohn raub- te, reiſte der junge Wilhelm auf die Univerſitaͤt nach Leipzig. Sein Vater, ein Landpfarrer, war ſchon laͤngſt geſtorben, ſeine noch lebende Mutter hatte ihr Aeuſſerſtes gethan, um ihn auf der Schule zu ernaͤhren, ſie konnte ihm jetzt nicht mehr als zehn Thaler und ihren muͤtterlichen Se- gen mit auf die Reiſe geben, ſie hofte, daß der hofnungsvolle Juͤngling durch ſeine gute, untadel- hafte Auffuͤhrung bald Goͤnner zu Leipzig finden wuͤrde, die ihn unterſtuͤtzen und Vater der ver- laßnen Waiſe werden ſollten. Als er zu Kolditz uͤbernachtete, wurde das Staͤdtchen von feindli- chen Huſaren uͤberfallen, ſie fanden den jungen Wilhelm, er war ſchoͤn, jung und wohlgewachſen und wurde am andern Morgen, nebſt mehrern jungen Leuten, nach des Feindes Land gefuͤhrt, um dort als Soldat zu dienen. Seine Gelaſſen- heit, mit welcher er ſich in ſein unverdientes Schickſal fuͤgte, ſein Eifer, mit welchem er ſich im

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/73>, abgerufen am 21.11.2024.