mehr jene wilde Eifersucht, die sein Herz an dem Tage, wo er dem Baron zuerst im Walde begegnete, und hernach auf dem Balle in Barnewitz, zerfleischt hatte -- aber das geheimnißvolle Dunkel, welches über diesen Vorgängen lag, das er nicht lüften konnte und, was schlimmer war, nicht einmal zu lüften wagte, erfüllte seine Seele mit jener Trauer und jenem Mit¬ leid, das wir mit uns selbst empfinden, wenn wir da in unserer Andacht gestört werden, wo wir so gern aus vollem, überströmendem Herzen anbeten möchten.
Oswald suchte dieser trüben Stimmung Herr zu werden; es war ihm, als ob des Barons scharfe Augen lesen könnten, was in seiner Seele vorging. Indessen schien dieser vollkommen unbefangen und ganz von dem Thema ihres Gesprächs in Anspruch genommen, das, wie erklärlich, sich hauptsächlich um Czika und die braune Gräfin drehte. Beide Männer versuchten ihren Scharf¬ sinn vergeblich an der Lösung der vielen Räthsel dieser wunderbaren Angelegenheit. Was hatte die braune Gräfin bestimmt, ihr Kind, an welchem sie doch mit großer Liebe zu hängen schien, so ohne Weiteres fremden Männern zu überlassen? Woher nahm sie zu dieser Entsagung den Muth in dem Augenblicke, wo sie durch die brutalen Scherze der jungen Edelleute (der Reitknecht des jungen Graf Grieben hatte Oldenburg's Kutscher
mehr jene wilde Eiferſucht, die ſein Herz an dem Tage, wo er dem Baron zuerſt im Walde begegnete, und hernach auf dem Balle in Barnewitz, zerfleiſcht hatte — aber das geheimnißvolle Dunkel, welches über dieſen Vorgängen lag, das er nicht lüften konnte und, was ſchlimmer war, nicht einmal zu lüften wagte, erfüllte ſeine Seele mit jener Trauer und jenem Mit¬ leid, das wir mit uns ſelbſt empfinden, wenn wir da in unſerer Andacht geſtört werden, wo wir ſo gern aus vollem, überſtrömendem Herzen anbeten möchten.
Oswald ſuchte dieſer trüben Stimmung Herr zu werden; es war ihm, als ob des Barons ſcharfe Augen leſen könnten, was in ſeiner Seele vorging. Indeſſen ſchien dieſer vollkommen unbefangen und ganz von dem Thema ihres Geſprächs in Anſpruch genommen, das, wie erklärlich, ſich hauptſächlich um Czika und die braune Gräfin drehte. Beide Männer verſuchten ihren Scharf¬ ſinn vergeblich an der Löſung der vielen Räthſel dieſer wunderbaren Angelegenheit. Was hatte die braune Gräfin beſtimmt, ihr Kind, an welchem ſie doch mit großer Liebe zu hängen ſchien, ſo ohne Weiteres fremden Männern zu überlaſſen? Woher nahm ſie zu dieſer Entſagung den Muth in dem Augenblicke, wo ſie durch die brutalen Scherze der jungen Edelleute (der Reitknecht des jungen Graf Grieben hatte Oldenburg's Kutſcher
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mehr jene wilde Eiferſucht, die ſein Herz an dem
Tage, wo er dem Baron zuerſt im Walde begegnete,
und hernach auf dem Balle in Barnewitz, zerfleiſcht
hatte — aber das geheimnißvolle Dunkel, welches
über dieſen Vorgängen lag, das er nicht lüften konnte
und, was ſchlimmer war, nicht einmal zu lüften wagte,
erfüllte ſeine Seele mit jener Trauer und jenem Mit¬
leid, das wir mit uns ſelbſt empfinden, wenn wir da
in unſerer Andacht geſtört werden, wo wir ſo gern
aus vollem, überſtrömendem Herzen anbeten möchten.
Oswald ſuchte dieſer trüben Stimmung Herr zu
werden; es war ihm, als ob des Barons ſcharfe Augen
leſen könnten, was in ſeiner Seele vorging. Indeſſen
ſchien dieſer vollkommen unbefangen und ganz von dem
Thema ihres Geſprächs in Anſpruch genommen, das,
wie erklärlich, ſich hauptſächlich um Czika und die braune
Gräfin drehte. Beide Männer verſuchten ihren Scharf¬
ſinn vergeblich an der Löſung der vielen Räthſel dieſer
wunderbaren Angelegenheit. Was hatte die braune
Gräfin beſtimmt, ihr Kind, an welchem ſie doch mit
großer Liebe zu hängen ſchien, ſo ohne Weiteres fremden
Männern zu überlaſſen? Woher nahm ſie zu dieſer
Entſagung den Muth in dem Augenblicke, wo ſie durch
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/36>, abgerufen am 16.07.2024.
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