Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

d'Estein ein viel zu schlauer Fuchs gewesen zu sein,
um sich vor dem Löwen, der ihm auf der Fährte war,
nicht sicher mit seinem Täubchen zu verstecken. Ueber¬
haupt ist dieser Monsieur eine sehr irrationale Größe,
die sich in meiner Rechnung als ein äußerst störender
Factor erweist. Wenn er nicht bald nachher gestor¬
ben ist, so hat er jedenfalls noch viel Unsinn ange¬
richtet, vielleicht sogar die kleine Marie geheiratet, das
Kind adoptirt und die Beiden zurück nach Frankreich,
oder nach Amerika oder sonst wohin, wo für mich die
Welt mit Brettern zugenagelt ist, geführt, und mir
so den ganzen Spaß verdorben. Das wäre schändlich,
denn die Geschichte könnte wirklich über alle Begriffe
spaßhaft werden. Ich möchte wohl die Gesichter von
den Beiden sehen, wenn ich vor sie träte und sagte:
meine armen Schelme, was gebt Ihr mir, wenn ich
euch zu einem hübschen Vermögen von einigen hun¬
derttausend Thälerchen verhelfe? oder auch -- und
das wäre nicht minder bequem, ja vielleicht ein gut
Theil bequemer -- wenn ich mich eines schönen Nach¬
mittags bei der guten Anna-Maria introducirte und
sagte: Entschuldigen Sie meine Gnädigste, wenn ich
störe; aber ich habe -- unter den Papieren meines
Vaters, der, wie Sie wissen, mit Ihrem verstorbenen
Vetter Harald in Geschäftsverbindung stand, gewisse

d'Eſtein ein viel zu ſchlauer Fuchs geweſen zu ſein,
um ſich vor dem Löwen, der ihm auf der Fährte war,
nicht ſicher mit ſeinem Täubchen zu verſtecken. Ueber¬
haupt iſt dieſer Monſieur eine ſehr irrationale Größe,
die ſich in meiner Rechnung als ein äußerſt ſtörender
Factor erweiſt. Wenn er nicht bald nachher geſtor¬
ben iſt, ſo hat er jedenfalls noch viel Unſinn ange¬
richtet, vielleicht ſogar die kleine Marie geheiratet, das
Kind adoptirt und die Beiden zurück nach Frankreich,
oder nach Amerika oder ſonſt wohin, wo für mich die
Welt mit Brettern zugenagelt iſt, geführt, und mir
ſo den ganzen Spaß verdorben. Das wäre ſchändlich,
denn die Geſchichte könnte wirklich über alle Begriffe
ſpaßhaft werden. Ich möchte wohl die Geſichter von
den Beiden ſehen, wenn ich vor ſie träte und ſagte:
meine armen Schelme, was gebt Ihr mir, wenn ich
euch zu einem hübſchen Vermögen von einigen hun¬
derttauſend Thälerchen verhelfe? oder auch — und
das wäre nicht minder bequem, ja vielleicht ein gut
Theil bequemer — wenn ich mich eines ſchönen Nach¬
mittags bei der guten Anna-Maria introducirte und
ſagte: Entſchuldigen Sie meine Gnädigſte, wenn ich
ſtöre; aber ich habe — unter den Papieren meines
Vaters, der, wie Sie wiſſen, mit Ihrem verſtorbenen
Vetter Harald in Geſchäftsverbindung ſtand, gewiſſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="218"/>
d'E&#x017F;tein ein viel zu &#x017F;chlauer Fuchs gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein,<lb/>
um &#x017F;ich vor dem Löwen, der ihm auf der Fährte war,<lb/>
nicht &#x017F;icher mit &#x017F;einem Täubchen zu ver&#x017F;tecken. Ueber¬<lb/>
haupt i&#x017F;t die&#x017F;er Mon&#x017F;ieur eine &#x017F;ehr irrationale Größe,<lb/>
die &#x017F;ich in meiner Rechnung als ein äußer&#x017F;t &#x017F;törender<lb/>
Factor erwei&#x017F;t. Wenn er nicht bald nachher ge&#x017F;tor¬<lb/>
ben i&#x017F;t, &#x017F;o hat er jedenfalls noch viel Un&#x017F;inn ange¬<lb/>
richtet, vielleicht &#x017F;ogar die kleine Marie geheiratet, das<lb/>
Kind adoptirt und die Beiden zurück nach Frankreich,<lb/>
oder nach Amerika oder &#x017F;on&#x017F;t wohin, wo für mich die<lb/>
Welt mit Brettern zugenagelt i&#x017F;t, geführt, und mir<lb/>
&#x017F;o den ganzen Spaß verdorben. Das wäre &#x017F;chändlich,<lb/>
denn die Ge&#x017F;chichte könnte wirklich über alle Begriffe<lb/>
&#x017F;paßhaft werden. Ich möchte wohl die Ge&#x017F;ichter von<lb/>
den Beiden &#x017F;ehen, wenn ich vor &#x017F;ie träte und &#x017F;agte:<lb/>
meine armen Schelme, was gebt Ihr mir, wenn ich<lb/>
euch zu einem hüb&#x017F;chen Vermögen von einigen hun¬<lb/>
derttau&#x017F;end Thälerchen verhelfe? oder auch &#x2014; und<lb/>
das wäre nicht minder bequem, ja vielleicht ein gut<lb/>
Theil bequemer &#x2014; wenn ich mich eines &#x017F;chönen Nach¬<lb/>
mittags bei der guten Anna-Maria introducirte und<lb/>
&#x017F;agte: Ent&#x017F;chuldigen Sie meine Gnädig&#x017F;te, wenn ich<lb/>
&#x017F;töre; aber ich habe &#x2014; unter den Papieren meines<lb/>
Vaters, der, wie Sie wi&#x017F;&#x017F;en, mit Ihrem ver&#x017F;torbenen<lb/>
Vetter Harald in Ge&#x017F;chäftsverbindung &#x017F;tand, gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0228] d'Eſtein ein viel zu ſchlauer Fuchs geweſen zu ſein, um ſich vor dem Löwen, der ihm auf der Fährte war, nicht ſicher mit ſeinem Täubchen zu verſtecken. Ueber¬ haupt iſt dieſer Monſieur eine ſehr irrationale Größe, die ſich in meiner Rechnung als ein äußerſt ſtörender Factor erweiſt. Wenn er nicht bald nachher geſtor¬ ben iſt, ſo hat er jedenfalls noch viel Unſinn ange¬ richtet, vielleicht ſogar die kleine Marie geheiratet, das Kind adoptirt und die Beiden zurück nach Frankreich, oder nach Amerika oder ſonſt wohin, wo für mich die Welt mit Brettern zugenagelt iſt, geführt, und mir ſo den ganzen Spaß verdorben. Das wäre ſchändlich, denn die Geſchichte könnte wirklich über alle Begriffe ſpaßhaft werden. Ich möchte wohl die Geſichter von den Beiden ſehen, wenn ich vor ſie träte und ſagte: meine armen Schelme, was gebt Ihr mir, wenn ich euch zu einem hübſchen Vermögen von einigen hun¬ derttauſend Thälerchen verhelfe? oder auch — und das wäre nicht minder bequem, ja vielleicht ein gut Theil bequemer — wenn ich mich eines ſchönen Nach¬ mittags bei der guten Anna-Maria introducirte und ſagte: Entſchuldigen Sie meine Gnädigſte, wenn ich ſtöre; aber ich habe — unter den Papieren meines Vaters, der, wie Sie wiſſen, mit Ihrem verſtorbenen Vetter Harald in Geſchäftsverbindung ſtand, gewiſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/228
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/228>, abgerufen am 02.05.2024.