wohl zwanzig Schritt breit, und der Hut schwamm mitten drauf. Aber Bruno war mit zwei Sprüngen den Wall hinab und ins Wasser hinein. Ich war wirklich erschrocken und ich glaube, ich stieß sogar einen leichten Schrei aus. -- Beruhigen Sie sich, sagte Herr Stein -- außerdem war glücklicherweise Niemand zugegen -- Bruno schwimmt wie ein Neu¬ foundländer, und selbst wenn er nicht wieder heraus¬ käme, so ist er ritterlich im Dienste der Damen ge¬ storben. Das ist immer ein Trost. -- Glücklicher¬ weise kam Bruno nach ein oder zwei ängstlichen Mi¬ nuten wieder ans Land geschwommen, und Herr Stein half ihm beim Heraussteigen, dann gingen sie beide lachend von dannen und ließen mich mit dem nassen Hut in der Hand -- ein rührendes Bild -- ganz allein stehen. -- Uebrigens scheint mir Herr Stein doch übel genommen zu haben, daß ich seinen Liebling in diese Gefahr brachte. Wenigstens ist er heute Morgen nicht auf der Promenade erschienen, bei Tische sehr einsilbig gewesen und hat die Literaturstunde, die er mir wöchentlich zweimal giebt, absagen lassen, "weil er Kopfschmerz habe", was ihn freilich, wie ich von meiner Stube aus beobachten kann, nicht hindert, in der glühenden Nachmittagssonne draußen im Garten mit unbedecktem Haupt eine halbe Stunde lang, die
wohl zwanzig Schritt breit, und der Hut ſchwamm mitten drauf. Aber Bruno war mit zwei Sprüngen den Wall hinab und ins Waſſer hinein. Ich war wirklich erſchrocken und ich glaube, ich ſtieß ſogar einen leichten Schrei aus. — Beruhigen Sie ſich, ſagte Herr Stein — außerdem war glücklicherweiſe Niemand zugegen — Bruno ſchwimmt wie ein Neu¬ foundländer, und ſelbſt wenn er nicht wieder heraus¬ käme, ſo iſt er ritterlich im Dienſte der Damen ge¬ ſtorben. Das iſt immer ein Troſt. — Glücklicher¬ weiſe kam Bruno nach ein oder zwei ängſtlichen Mi¬ nuten wieder ans Land geſchwommen, und Herr Stein half ihm beim Herausſteigen, dann gingen ſie beide lachend von dannen und ließen mich mit dem naſſen Hut in der Hand — ein rührendes Bild — ganz allein ſtehen. — Uebrigens ſcheint mir Herr Stein doch übel genommen zu haben, daß ich ſeinen Liebling in dieſe Gefahr brachte. Wenigſtens iſt er heute Morgen nicht auf der Promenade erſchienen, bei Tiſche ſehr einſilbig geweſen und hat die Literaturſtunde, die er mir wöchentlich zweimal giebt, abſagen laſſen, „weil er Kopfſchmerz habe“, was ihn freilich, wie ich von meiner Stube aus beobachten kann, nicht hindert, in der glühenden Nachmittagsſonne draußen im Garten mit unbedecktem Haupt eine halbe Stunde lang, die
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wohl zwanzig Schritt breit, und der Hut ſchwamm
mitten drauf. Aber Bruno war mit zwei Sprüngen
den Wall hinab und ins Waſſer hinein. Ich war
wirklich erſchrocken und ich glaube, ich ſtieß ſogar
einen leichten Schrei aus. — Beruhigen Sie ſich,
ſagte Herr Stein — außerdem war glücklicherweiſe
Niemand zugegen — Bruno ſchwimmt wie ein Neu¬
foundländer, und ſelbſt wenn er nicht wieder heraus¬
käme, ſo iſt er ritterlich im Dienſte der Damen ge¬
ſtorben. Das iſt immer ein Troſt. — Glücklicher¬
weiſe kam Bruno nach ein oder zwei ängſtlichen Mi¬
nuten wieder ans Land geſchwommen, und Herr Stein
half ihm beim Herausſteigen, dann gingen ſie beide
lachend von dannen und ließen mich mit dem naſſen
Hut in der Hand — ein rührendes Bild — ganz
allein ſtehen. — Uebrigens ſcheint mir Herr Stein
doch übel genommen zu haben, daß ich ſeinen Liebling
in dieſe Gefahr brachte. Wenigſtens iſt er heute
Morgen nicht auf der Promenade erſchienen, bei Tiſche
ſehr einſilbig geweſen und hat die Literaturſtunde, die
er mir wöchentlich zweimal giebt, abſagen laſſen, „weil
er Kopfſchmerz habe“, was ihn freilich, wie ich von
meiner Stube aus beobachten kann, nicht hindert, in
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mit unbedecktem Haupt eine halbe Stunde lang, die
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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