Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.rauschendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den Es war ein Glück, daß Oswald diese Worte nicht rauſchendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den Es war ein Glück, daß Oswald dieſe Worte nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="140"/> rauſchendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den<lb/> Doctor öfter zu Rathe ziehen. Ein klarer Kopf, der<lb/> die Dinge und Menſchen und Verhältniſſe ſtets in<lb/> dem rechten Lichte ſieht. Aber in Betreff der zwiſchen<lb/> Fräulein Helene und ihrem Vetter projectirten Hei¬<lb/> rath irrt er ſich doch. Erſtens iſt ſie noch viel zu<lb/> jung, zweitens iſt ſie viel zu ſchön und drittens will<lb/> ich es nicht. Hören Sie, <hi rendition="#aq">Madame la Baroneſſe</hi>:<lb/> ich will es nicht! Sie werden Ihr ſauberes Project<lb/> nicht ausführen, wenn Sie auch noch ſo ſehr mit<lb/> ihren großen herrſchſüchtigen Augen rollen und ſich zu<lb/> Ihrer ganzen ſtattlichen Höhe emporrichten.</p><lb/> <p>Es war ein Glück, daß Oswald dieſe Worte nicht<lb/> pathetiſch in den ſtillen Garten hineindeclamirte, ſon¬<lb/> dern nur leiſe durch die Zähne murmelte, denn wie<lb/> er eben um eine Ecke des Walles bog, die durch ein<lb/> dichtes weit vorſpringendes Gebüſch noch ſchärfer ge¬<lb/> macht wurde, fand er ſich plötzlich Fräulein Helene,<lb/> die von der andern Seite kam, gegenüber. Dies Zu¬<lb/> ſammentreffen war für beide Theile ſo überraſchend,<lb/> daß das junge Mädchen nur mit Mühe einen leiſen<lb/> Schrei unterdrückte, und Oswald, ſehr gegen ſeine<lb/> Gewohnheit, geradezu verlegen wurde und nicht wußte,<lb/> ob er die junge Dame anreden, oder grüßend ſtumm<lb/> vorübergehen ſolle.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [140/0150]
rauſchendes und zuletzt tödliches Gift. Ich muß den
Doctor öfter zu Rathe ziehen. Ein klarer Kopf, der
die Dinge und Menſchen und Verhältniſſe ſtets in
dem rechten Lichte ſieht. Aber in Betreff der zwiſchen
Fräulein Helene und ihrem Vetter projectirten Hei¬
rath irrt er ſich doch. Erſtens iſt ſie noch viel zu
jung, zweitens iſt ſie viel zu ſchön und drittens will
ich es nicht. Hören Sie, Madame la Baroneſſe:
ich will es nicht! Sie werden Ihr ſauberes Project
nicht ausführen, wenn Sie auch noch ſo ſehr mit
ihren großen herrſchſüchtigen Augen rollen und ſich zu
Ihrer ganzen ſtattlichen Höhe emporrichten.
Es war ein Glück, daß Oswald dieſe Worte nicht
pathetiſch in den ſtillen Garten hineindeclamirte, ſon¬
dern nur leiſe durch die Zähne murmelte, denn wie
er eben um eine Ecke des Walles bog, die durch ein
dichtes weit vorſpringendes Gebüſch noch ſchärfer ge¬
macht wurde, fand er ſich plötzlich Fräulein Helene,
die von der andern Seite kam, gegenüber. Dies Zu¬
ſammentreffen war für beide Theile ſo überraſchend,
daß das junge Mädchen nur mit Mühe einen leiſen
Schrei unterdrückte, und Oswald, ſehr gegen ſeine
Gewohnheit, geradezu verlegen wurde und nicht wußte,
ob er die junge Dame anreden, oder grüßend ſtumm
vorübergehen ſolle.
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