purer Gewohnheit und nicht etwa, um die Reiselustigen zur Eile zu ermahnen, was dem seiner Herrschaft schuldigen Respect ebenso sehr widersprochen hätte, als seinem phlegmatischen Naturell.
"Ich wußte es ja schon vorher," sagte die Ba¬ ronin, ihrem Gemal ein Glas halb voll Moselwein schenkend -- "trink das, lieber Grenwitz, es wird Dich zu der langen Fahrt stärken -- ich wußte es ja vor¬ her. Er schlägt unsre freundliche Einladung aus, weil er sich nicht ganz wohl fühle! lächerlich!"
"Er sieht wirklich, seitdem wir in Barnewitz waren, recht angegriffen aus, liebe Anna-Maria," sagte der alte Baron, "und dann ist es auch wol nicht ganz in der Ordnung, daß wir ihn auffordern mitzufahren in dem Augenblicke, wo der Wagen schon vor der Thüre steht. Wir hätten das auch wol früher thun müssen."
"Ich begreife Dich nicht, lieber Grenwitz," sagte die Baronin; "Du thust doch gerade, als ob Herr Stein unsers Gleichen wäre! Da ist es gar kein Wunder, wenn der junge Mensch sich vor Hochmuth nicht zu lassen weiß. Zu einer Fahrt in die Nach¬ barschaft ihn eine Woche vorher auffordern! Das fehlte noch! Haben wir doch selbst über die Helgolän¬ der Reise noch nicht einmal mit ihm gesprochen!"
"Ich hätte es längst gethan, wenn Du nur einen
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purer Gewohnheit und nicht etwa, um die Reiſeluſtigen zur Eile zu ermahnen, was dem ſeiner Herrſchaft ſchuldigen Reſpect ebenſo ſehr widerſprochen hätte, als ſeinem phlegmatiſchen Naturell.
„Ich wußte es ja ſchon vorher,“ ſagte die Ba¬ ronin, ihrem Gemal ein Glas halb voll Moſelwein ſchenkend — „trink das, lieber Grenwitz, es wird Dich zu der langen Fahrt ſtärken — ich wußte es ja vor¬ her. Er ſchlägt unſre freundliche Einladung aus, weil er ſich nicht ganz wohl fühle! lächerlich!“
„Er ſieht wirklich, ſeitdem wir in Barnewitz waren, recht angegriffen aus, liebe Anna-Maria,“ ſagte der alte Baron, „und dann iſt es auch wol nicht ganz in der Ordnung, daß wir ihn auffordern mitzufahren in dem Augenblicke, wo der Wagen ſchon vor der Thüre ſteht. Wir hätten das auch wol früher thun müſſen.“
„Ich begreife Dich nicht, lieber Grenwitz,“ ſagte die Baronin; „Du thuſt doch gerade, als ob Herr Stein unſers Gleichen wäre! Da iſt es gar kein Wunder, wenn der junge Menſch ſich vor Hochmuth nicht zu laſſen weiß. Zu einer Fahrt in die Nach¬ barſchaft ihn eine Woche vorher auffordern! Das fehlte noch! Haben wir doch ſelbſt über die Helgolän¬ der Reiſe noch nicht einmal mit ihm geſprochen!“
„Ich hätte es längſt gethan, wenn Du nur einen
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purer Gewohnheit und nicht etwa, um die Reiſeluſtigen
zur Eile zu ermahnen, was dem ſeiner Herrſchaft
ſchuldigen Reſpect ebenſo ſehr widerſprochen hätte, als
ſeinem phlegmatiſchen Naturell.
„Ich wußte es ja ſchon vorher,“ ſagte die Ba¬
ronin, ihrem Gemal ein Glas halb voll Moſelwein
ſchenkend — „trink das, lieber Grenwitz, es wird Dich
zu der langen Fahrt ſtärken — ich wußte es ja vor¬
her. Er ſchlägt unſre freundliche Einladung aus, weil
er ſich nicht ganz wohl fühle! lächerlich!“
„Er ſieht wirklich, ſeitdem wir in Barnewitz waren,
recht angegriffen aus, liebe Anna-Maria,“ ſagte der
alte Baron, „und dann iſt es auch wol nicht ganz in
der Ordnung, daß wir ihn auffordern mitzufahren in
dem Augenblicke, wo der Wagen ſchon vor der Thüre
ſteht. Wir hätten das auch wol früher thun müſſen.“
„Ich begreife Dich nicht, lieber Grenwitz,“ ſagte
die Baronin; „Du thuſt doch gerade, als ob Herr
Stein unſers Gleichen wäre! Da iſt es gar kein
Wunder, wenn der junge Menſch ſich vor Hochmuth
nicht zu laſſen weiß. Zu einer Fahrt in die Nach¬
barſchaft ihn eine Woche vorher auffordern! Das
fehlte noch! Haben wir doch ſelbſt über die Helgolän¬
der Reiſe noch nicht einmal mit ihm geſprochen!“
„Ich hätte es längſt gethan, wenn Du nur einen
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/13>, abgerufen am 16.07.2024.
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