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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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und aus Unachtsamkeit das Kind schwer verletzt hat,
kann nicht bestürzter und erschrockner sein, wenn er
das Blut der Kleinen fließen sieht, wie es Oswald
war, als er die Thränen des Mädchens auf seiner
Wange fühlte. Sein wahnsinniger Rausch von Liebe
und Eifersucht war in einem Augenblicke verflogen.
Was hatte er gethan? Er hatte die schnöde Rolle
des listigen Finklers gespielt; er hatte das arme Vö¬
gelchen mit Schmeichelworten und Liebesblicken gelockt,
bis es zu ihm herangeflattert kam und sich an seinen
Busen schmiegte. . .

"Mein Fräulein," flüsterte er, indem er sanft den
Kopf des Mädchens, das jetzt leise an seiner Brust
schluchzte, emporzuheben suchte, "Emilie, theures Kind,
um Gotteswillen, beruhigen Sie sich! Bedenken Sie,
wenn Jemand Sie hier sähe, oder hörte --".

"Was gehn mich die Andern an, ich liebe Dich,"
murmelte das Mädchen.

"Mein bestes Fräulein, ich beschwöre Sie, kommen
Sie zu sich, machen Sie sich nicht unglücklich --".

"So lieben Sie mich nicht," sagte das leidenschaft¬
liche Mädchen sich schnell emporrichtend, "so lieben
Sie mich nicht? Gut, ich gehe --".

Sie machte einen Schritt nach dem Vorhang hin
aber die Leidenschaft hatte ihre Kräfte aufgezehrt.

und aus Unachtſamkeit das Kind ſchwer verletzt hat,
kann nicht beſtürzter und erſchrockner ſein, wenn er
das Blut der Kleinen fließen ſieht, wie es Oswald
war, als er die Thränen des Mädchens auf ſeiner
Wange fühlte. Sein wahnſinniger Rauſch von Liebe
und Eiferſucht war in einem Augenblicke verflogen.
Was hatte er gethan? Er hatte die ſchnöde Rolle
des liſtigen Finklers geſpielt; er hatte das arme Vö¬
gelchen mit Schmeichelworten und Liebesblicken gelockt,
bis es zu ihm herangeflattert kam und ſich an ſeinen
Buſen ſchmiegte. . .

„Mein Fräulein,“ flüſterte er, indem er ſanft den
Kopf des Mädchens, das jetzt leiſe an ſeiner Bruſt
ſchluchzte, emporzuheben ſuchte, „Emilie, theures Kind,
um Gotteswillen, beruhigen Sie ſich! Bedenken Sie,
wenn Jemand Sie hier ſähe, oder hörte —“.

„Was gehn mich die Andern an, ich liebe Dich,“
murmelte das Mädchen.

„Mein beſtes Fräulein, ich beſchwöre Sie, kommen
Sie zu ſich, machen Sie ſich nicht unglücklich —“.

„So lieben Sie mich nicht,“ ſagte das leidenſchaft¬
liche Mädchen ſich ſchnell emporrichtend, „ſo lieben
Sie mich nicht? Gut, ich gehe —“.

Sie machte einen Schritt nach dem Vorhang hin
aber die Leidenſchaft hatte ihre Kräfte aufgezehrt.

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[86/0096] und aus Unachtſamkeit das Kind ſchwer verletzt hat, kann nicht beſtürzter und erſchrockner ſein, wenn er das Blut der Kleinen fließen ſieht, wie es Oswald war, als er die Thränen des Mädchens auf ſeiner Wange fühlte. Sein wahnſinniger Rauſch von Liebe und Eiferſucht war in einem Augenblicke verflogen. Was hatte er gethan? Er hatte die ſchnöde Rolle des liſtigen Finklers geſpielt; er hatte das arme Vö¬ gelchen mit Schmeichelworten und Liebesblicken gelockt, bis es zu ihm herangeflattert kam und ſich an ſeinen Buſen ſchmiegte. . . „Mein Fräulein,“ flüſterte er, indem er ſanft den Kopf des Mädchens, das jetzt leiſe an ſeiner Bruſt ſchluchzte, emporzuheben ſuchte, „Emilie, theures Kind, um Gotteswillen, beruhigen Sie ſich! Bedenken Sie, wenn Jemand Sie hier ſähe, oder hörte —“. „Was gehn mich die Andern an, ich liebe Dich,“ murmelte das Mädchen. „Mein beſtes Fräulein, ich beſchwöre Sie, kommen Sie zu ſich, machen Sie ſich nicht unglücklich —“. „So lieben Sie mich nicht,“ ſagte das leidenſchaft¬ liche Mädchen ſich ſchnell emporrichtend, „ſo lieben Sie mich nicht? Gut, ich gehe —“. Sie machte einen Schritt nach dem Vorhang hin aber die Leidenſchaft hatte ihre Kräfte aufgezehrt.

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/96>, abgerufen am 23.11.2024.