Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.sprach: "Gnädige Frau, man hebt die Tafel auf, darf Während sie in den Reihen der Uebrigen die ſprach: „Gnädige Frau, man hebt die Tafel auf, darf Während ſie in den Reihen der Uebrigen die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="80"/> ſprach: „Gnädige Frau, man hebt die Tafel auf, darf<lb/> ich um Ihren Arm bitten?“</p><lb/> <p>Während ſie in den Reihen der Uebrigen die<lb/> Treppe hinunterſchritten, ſprach Melitta kein Wort;<lb/> auch Oswald nicht. Als ſie unten im Saale ange¬<lb/> kommen waren, verbeugte er ſich tief vor ihr, und<lb/> als er den Kopf hob, ſchaute er auf einen Augenblick<lb/> in ihr Antlitz. Er ſah, wie ſchmerzlich es um ihre<lb/> Lippen zuckte; er ſah, welch' rührende Klage aus ihren<lb/> großen dunkeln Augen ſprach — aber ſein Herz war<lb/> verſchloſſen, und er wandte ſich zu einer Gruppe junger<lb/> Mädchen und Herren, die das abgebrochene über¬<lb/> müthige Tiſchgeſpräch noch eine Weile fortſetzen zu<lb/> wollen ſchienen. Melitta ſah ihm noch für einen Mo¬<lb/> ment nach, ſah, wie die hübſche Emilie von Breeſen<lb/> ſich lebhaft zu ihm wandte, wie er ihr mit einem<lb/> Scherze entgegentrat, ſie lachend etwas erwiderte und<lb/> ihn mit ihrem Fächer auf den Arm ſchlug. Weiter<lb/> ſah ſie nichts mehr; als ſie ſich wiederfand, ſaß ſie<lb/> in der Ecke ihres Wagens. Auf die Bäume und Hecken<lb/> an der Wegſeite, die an dem Fenſter vorübertanzten,<lb/> fiel das helle Licht aus den Laternen, aber Melitta<lb/> ſah Alles nur wie durch einen Nebelflor, denn ihr<lb/> Herz und ihre Augen waren voll Thränen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [80/0090]
ſprach: „Gnädige Frau, man hebt die Tafel auf, darf
ich um Ihren Arm bitten?“
Während ſie in den Reihen der Uebrigen die
Treppe hinunterſchritten, ſprach Melitta kein Wort;
auch Oswald nicht. Als ſie unten im Saale ange¬
kommen waren, verbeugte er ſich tief vor ihr, und
als er den Kopf hob, ſchaute er auf einen Augenblick
in ihr Antlitz. Er ſah, wie ſchmerzlich es um ihre
Lippen zuckte; er ſah, welch' rührende Klage aus ihren
großen dunkeln Augen ſprach — aber ſein Herz war
verſchloſſen, und er wandte ſich zu einer Gruppe junger
Mädchen und Herren, die das abgebrochene über¬
müthige Tiſchgeſpräch noch eine Weile fortſetzen zu
wollen ſchienen. Melitta ſah ihm noch für einen Mo¬
ment nach, ſah, wie die hübſche Emilie von Breeſen
ſich lebhaft zu ihm wandte, wie er ihr mit einem
Scherze entgegentrat, ſie lachend etwas erwiderte und
ihn mit ihrem Fächer auf den Arm ſchlug. Weiter
ſah ſie nichts mehr; als ſie ſich wiederfand, ſaß ſie
in der Ecke ihres Wagens. Auf die Bäume und Hecken
an der Wegſeite, die an dem Fenſter vorübertanzten,
fiel das helle Licht aus den Laternen, aber Melitta
ſah Alles nur wie durch einen Nebelflor, denn ihr
Herz und ihre Augen waren voll Thränen.
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