sie mit einer schnellen Bewegung ihres feinen Taschen¬ tuchs sogleich trocknete, war Antwort genug.
"Verzeih' mir, Melitta," murmelte Oswald, "aber ich bin sehr unglücklich."
"Ich bin es nicht minder, vielleicht noch mehr -- und darum gerade möchte ich, daß Du ganz glücklich wärest, wünschte ich, ich könnte Dich ganz glücklich machen."
"Du kannst es durch ein Wort!"
"Was ist es, Oswald?"
"Sage, daß Du mich liebst."
"Oswald, so fragt die Liebe nicht, so fragt die Eifersucht."
"Giebt es eine Liebe ohne Eifersucht?"
"Ja, die echte Liebe, die nichts fürchtet, und Alles glaubt."
"So wäre meine Liebe nicht die echte? Freilich, wie können wir, die wir nicht vom Adel sind, auch Anspruch auf irgend etwas Echtes machen! Unsere Mütter und Schwestern tragen böhmisches Glas statt Diamanten, wir selbst haben keine echte Ehre, keine echte Liebe -- das ist ja sonnenklar."
Wenn Oswald, indem er diese wahnsinnigen Worte sprach, in Melitta's Herz hätte sehen können, ja wenn
ſie mit einer ſchnellen Bewegung ihres feinen Taſchen¬ tuchs ſogleich trocknete, war Antwort genug.
„Verzeih' mir, Melitta,“ murmelte Oswald, „aber ich bin ſehr unglücklich.“
„Ich bin es nicht minder, vielleicht noch mehr — und darum gerade möchte ich, daß Du ganz glücklich wäreſt, wünſchte ich, ich könnte Dich ganz glücklich machen.“
„Du kannſt es durch ein Wort!“
„Was iſt es, Oswald?“
„Sage, daß Du mich liebſt.“
„Oswald, ſo fragt die Liebe nicht, ſo fragt die Eiferſucht.“
„Giebt es eine Liebe ohne Eiferſucht?“
„Ja, die echte Liebe, die nichts fürchtet, und Alles glaubt.“
„So wäre meine Liebe nicht die echte? Freilich, wie können wir, die wir nicht vom Adel ſind, auch Anſpruch auf irgend etwas Echtes machen! Unſere Mütter und Schweſtern tragen böhmiſches Glas ſtatt Diamanten, wir ſelbſt haben keine echte Ehre, keine echte Liebe — das iſt ja ſonnenklar.“
Wenn Oswald, indem er dieſe wahnſinnigen Worte ſprach, in Melitta's Herz hätte ſehen können, ja wenn
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ſie mit einer ſchnellen Bewegung ihres feinen Taſchen¬
tuchs ſogleich trocknete, war Antwort genug.
„Verzeih' mir, Melitta,“ murmelte Oswald, „aber
ich bin ſehr unglücklich.“
„Ich bin es nicht minder, vielleicht noch mehr —
und darum gerade möchte ich, daß Du ganz glücklich
wäreſt, wünſchte ich, ich könnte Dich ganz glücklich
machen.“
„Du kannſt es durch ein Wort!“
„Was iſt es, Oswald?“
„Sage, daß Du mich liebſt.“
„Oswald, ſo fragt die Liebe nicht, ſo fragt die
Eiferſucht.“
„Giebt es eine Liebe ohne Eiferſucht?“
„Ja, die echte Liebe, die nichts fürchtet, und Alles
glaubt.“
„So wäre meine Liebe nicht die echte? Freilich,
wie können wir, die wir nicht vom Adel ſind, auch
Anſpruch auf irgend etwas Echtes machen! Unſere
Mütter und Schweſtern tragen böhmiſches Glas ſtatt
Diamanten, wir ſelbſt haben keine echte Ehre, keine
echte Liebe — das iſt ja ſonnenklar.“
Wenn Oswald, indem er dieſe wahnſinnigen Worte
ſprach, in Melitta's Herz hätte ſehen können, ja wenn
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/88>, abgerufen am 17.02.2025.
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