Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.Als ich am andern Morgen erwachte, stand die Spät am Abend kam Harald zurück. Er war Er ging, ohne ein Wort zu erwiedern, an den Als ich am andern Morgen erwachte, ſtand die Spät am Abend kam Harald zurück. Er war Er ging, ohne ein Wort zu erwiedern, an den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0268" n="258"/> <p>Als ich am andern Morgen erwachte, ſtand die<lb/> Sonne ſchon hoch am Himmel. Es war ein heller,<lb/> kühler Morgen und Harald ging mit ſeinen Gäſten<lb/> auf die Jagd. Ich war froh darüber; ſo konnte ihm<lb/> doch Mariens Flucht bis zum Abend wenigſtens ver¬<lb/> ſchwiegen werden. Den Leuten freilich mußte ich<lb/> ſchon gegen Mittag ſagen, daß Fräulein Marie nir¬<lb/> gends zu finden ſei, und ob ſie ſie nicht geſehen hät¬<lb/> ten? Die waren nicht wenig erſchrocken, denn da war<lb/> Keiner, der das ſanfte, ſchöne Mädchen nicht gern ge¬<lb/> habt hätte. Sie durchſuchten das Haus, die umlie¬<lb/> gende Gegend, den Wald bis zum Strande und ſelbſt<lb/> den Wallgraben, denn daß ſich die Aermſte das Leben<lb/> genommen habe, darüber waren ſie Alle einig.</p><lb/> <p>Spät am Abend kam Harald zurück. Er war<lb/> allein. Als er in das Haus trat, ſah er auf den erſten<lb/> Blick an den verſtörten Geſichtern der Leute, daß<lb/> etwas vorgefallen ſein müſſe. Sein böſes Gewiſſen<lb/> ſagte ihm ſogleich, was. „Iſt ſie todt?“ fragte er<lb/> und wurde weiß wie Kalk. „Wir wiſſen es nicht,<lb/> Herr,“ ſagte der alte Jochen; „wir haben den<lb/> ganzen Tag geſucht, aber haben ſie noch nicht ge¬<lb/> funden.“</p><lb/> <p>Er ging, ohne ein Wort zu erwiedern, an den<lb/> Leuten vorbei nach ſeinem Zimmer. Als er in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [258/0268]
Als ich am andern Morgen erwachte, ſtand die
Sonne ſchon hoch am Himmel. Es war ein heller,
kühler Morgen und Harald ging mit ſeinen Gäſten
auf die Jagd. Ich war froh darüber; ſo konnte ihm
doch Mariens Flucht bis zum Abend wenigſtens ver¬
ſchwiegen werden. Den Leuten freilich mußte ich
ſchon gegen Mittag ſagen, daß Fräulein Marie nir¬
gends zu finden ſei, und ob ſie ſie nicht geſehen hät¬
ten? Die waren nicht wenig erſchrocken, denn da war
Keiner, der das ſanfte, ſchöne Mädchen nicht gern ge¬
habt hätte. Sie durchſuchten das Haus, die umlie¬
gende Gegend, den Wald bis zum Strande und ſelbſt
den Wallgraben, denn daß ſich die Aermſte das Leben
genommen habe, darüber waren ſie Alle einig.
Spät am Abend kam Harald zurück. Er war
allein. Als er in das Haus trat, ſah er auf den erſten
Blick an den verſtörten Geſichtern der Leute, daß
etwas vorgefallen ſein müſſe. Sein böſes Gewiſſen
ſagte ihm ſogleich, was. „Iſt ſie todt?“ fragte er
und wurde weiß wie Kalk. „Wir wiſſen es nicht,
Herr,“ ſagte der alte Jochen; „wir haben den
ganzen Tag geſucht, aber haben ſie noch nicht ge¬
funden.“
Er ging, ohne ein Wort zu erwiedern, an den
Leuten vorbei nach ſeinem Zimmer. Als er in der
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