Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

meinen Armen getragen und auf meinen Knien ge¬
wiegt. So hielt ich aus und betete, während er sich
und Gott verfluchte, bis der Tod ihm auf's Herz
schlug, daß er laut aufschrie und auf sein Kissen zu¬
rückfiel. Da war es aus mit ihm, und seine arme
Seele hatte Ruhe."

"Und hatte der Baron keinen Freund, der ihm
in seiner letzten Stunde hätte beistehen können?"

"Freunde genug, und es waren Männer dabei, die
sich vor einem Sterbebette nicht fürchteten; aber vor
Harald fürchteten sie sich; er hätte den erwürgt und
zerrissen, der ihm in dieser Stunde vor die Augen ge¬
treten wäre. Ja, ich möchte, sie wären gekommen,
Einer nach dem Andern; es verdiente Jeder von
ihnen, daß ihm der Hals wäre umgedreht worden."

"Und wer waren diese schlimmen Freunde?"

"Zuerst Herr von Barnewitz, nicht der auf Süllitz,
der noch lebt, der Vater von dem jungen Herrn von
Barnewitz -- das ist ein guter Mensch, dem Keiner
nichts Böses nachsagen kann, -- sondern der auf
Schmittow, der hernach all' sein Geld an Herrn von
Berkow verspielte, und ihm dafür seine Tochter ver¬
kaufte."

"Melitta?" stöhnte Oswald und seine Hände
griffen krampfig nach den Lehnen des Stuhls.

meinen Armen getragen und auf meinen Knien ge¬
wiegt. So hielt ich aus und betete, während er ſich
und Gott verfluchte, bis der Tod ihm auf's Herz
ſchlug, daß er laut aufſchrie und auf ſein Kiſſen zu¬
rückfiel. Da war es aus mit ihm, und ſeine arme
Seele hatte Ruhe.“

„Und hatte der Baron keinen Freund, der ihm
in ſeiner letzten Stunde hätte beiſtehen können?“

„Freunde genug, und es waren Männer dabei, die
ſich vor einem Sterbebette nicht fürchteten; aber vor
Harald fürchteten ſie ſich; er hätte den erwürgt und
zerriſſen, der ihm in dieſer Stunde vor die Augen ge¬
treten wäre. Ja, ich möchte, ſie wären gekommen,
Einer nach dem Andern; es verdiente Jeder von
ihnen, daß ihm der Hals wäre umgedreht worden.“

„Und wer waren dieſe ſchlimmen Freunde?“

„Zuerſt Herr von Barnewitz, nicht der auf Süllitz,
der noch lebt, der Vater von dem jungen Herrn von
Barnewitz — das iſt ein guter Menſch, dem Keiner
nichts Böſes nachſagen kann, — ſondern der auf
Schmittow, der hernach all' ſein Geld an Herrn von
Berkow verſpielte, und ihm dafür ſeine Tochter ver¬
kaufte.“

„Melitta?“ ſtöhnte Oswald und ſeine Hände
griffen krampfig nach den Lehnen des Stuhls.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0234" n="224"/>
meinen Armen getragen und auf meinen Knien ge¬<lb/>
wiegt. So hielt ich aus und betete, während er &#x017F;ich<lb/>
und Gott verfluchte, bis der Tod ihm auf's Herz<lb/>
&#x017F;chlug, daß er laut auf&#x017F;chrie und auf &#x017F;ein Ki&#x017F;&#x017F;en zu¬<lb/>
rückfiel. Da war es aus mit ihm, und &#x017F;eine arme<lb/>
Seele hatte Ruhe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und hatte der Baron keinen Freund, der ihm<lb/>
in &#x017F;einer letzten Stunde hätte bei&#x017F;tehen können?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Freunde genug, und es waren Männer dabei, die<lb/>
&#x017F;ich vor einem Sterbebette nicht fürchteten; aber vor<lb/>
Harald fürchteten &#x017F;ie &#x017F;ich; er hätte den erwürgt und<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;en, der ihm in die&#x017F;er Stunde vor die Augen ge¬<lb/>
treten wäre. Ja, ich möchte, &#x017F;ie wären gekommen,<lb/>
Einer nach dem Andern; es verdiente Jeder von<lb/>
ihnen, daß ihm der Hals wäre umgedreht worden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wer waren die&#x017F;e &#x017F;chlimmen Freunde?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zuer&#x017F;t Herr von Barnewitz, nicht der auf Süllitz,<lb/>
der noch lebt, der Vater von dem jungen Herrn von<lb/>
Barnewitz &#x2014; das i&#x017F;t ein guter Men&#x017F;ch, dem Keiner<lb/>
nichts Bö&#x017F;es nach&#x017F;agen kann, &#x2014; &#x017F;ondern der auf<lb/>
Schmittow, der hernach all' &#x017F;ein Geld an Herrn von<lb/>
Berkow ver&#x017F;pielte, und ihm dafür &#x017F;eine Tochter ver¬<lb/>
kaufte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Melitta?&#x201C; &#x017F;töhnte Oswald und &#x017F;eine Hände<lb/>
griffen krampfig nach den Lehnen des Stuhls.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0234] meinen Armen getragen und auf meinen Knien ge¬ wiegt. So hielt ich aus und betete, während er ſich und Gott verfluchte, bis der Tod ihm auf's Herz ſchlug, daß er laut aufſchrie und auf ſein Kiſſen zu¬ rückfiel. Da war es aus mit ihm, und ſeine arme Seele hatte Ruhe.“ „Und hatte der Baron keinen Freund, der ihm in ſeiner letzten Stunde hätte beiſtehen können?“ „Freunde genug, und es waren Männer dabei, die ſich vor einem Sterbebette nicht fürchteten; aber vor Harald fürchteten ſie ſich; er hätte den erwürgt und zerriſſen, der ihm in dieſer Stunde vor die Augen ge¬ treten wäre. Ja, ich möchte, ſie wären gekommen, Einer nach dem Andern; es verdiente Jeder von ihnen, daß ihm der Hals wäre umgedreht worden.“ „Und wer waren dieſe ſchlimmen Freunde?“ „Zuerſt Herr von Barnewitz, nicht der auf Süllitz, der noch lebt, der Vater von dem jungen Herrn von Barnewitz — das iſt ein guter Menſch, dem Keiner nichts Böſes nachſagen kann, — ſondern der auf Schmittow, der hernach all' ſein Geld an Herrn von Berkow verſpielte, und ihm dafür ſeine Tochter ver¬ kaufte.“ „Melitta?“ ſtöhnte Oswald und ſeine Hände griffen krampfig nach den Lehnen des Stuhls.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/234
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/234>, abgerufen am 23.11.2024.