Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

auswandern, wenn er das sehr natürliche Bedürfniß
empfindet, einmal eine echte Cigarre zu rauchen, und
sie nicht geradezu stehlen will, oder nicht das Glück
hat, einen so liebenswürdigen Menschen aufzutreiben,
wie Sie, der Sie sich echten Cognac und echte Cigar¬
ren für ihre Bekannten halten und dabei noch die
Gutmüthigkeit haben, dem Geschwätze dieser Bekann¬
ten zuzuhören, obgleich Ihnen die Augen beinahe vor
Müdigkeit zufallen. Der Tausend! Der Inhalt der
Flasche hat sich fast um den dritten Theil seines Vo¬
lumens verringert. Wie vergänglich doch alles Irdische
ist! Buona notte, Don Oswaldo! dormite bene
und träumen Sie dolce von den bei occhi della
donna bella, amata, immaculuta
Ihrer Sonette.
Ich für mein Theil will, wie Hamlet, beten gehen,
denn nicht einmal zum Schlafen habe ich Unglücklicher
Talent, geschweige denn zum Träumen. Gute Nacht,
Dottore!"

"Gute Nacht!" sagte Oswald, sich schlaftrunken
aus seiner Sophaecke erhebend und Albert bis zur
Thür begleitend.

"keinen Schritt weiter, Dottore!" sagte dieser,
"Alles hat seine Grenzen!" und als die Thür sich
hinter ihm geschlossen hatte, blieb er noch einen Au¬

auswandern, wenn er das ſehr natürliche Bedürfniß
empfindet, einmal eine echte Cigarre zu rauchen, und
ſie nicht geradezu ſtehlen will, oder nicht das Glück
hat, einen ſo liebenswürdigen Menſchen aufzutreiben,
wie Sie, der Sie ſich echten Cognac und echte Cigar¬
ren für ihre Bekannten halten und dabei noch die
Gutmüthigkeit haben, dem Geſchwätze dieſer Bekann¬
ten zuzuhören, obgleich Ihnen die Augen beinahe vor
Müdigkeit zufallen. Der Tauſend! Der Inhalt der
Flaſche hat ſich faſt um den dritten Theil ſeines Vo¬
lumens verringert. Wie vergänglich doch alles Irdiſche
iſt! Buona notte, Don Oswaldo! dormite bene
und träumen Sie dolce von den bei occhi della
donna bella, amata, immaculuta
Ihrer Sonette.
Ich für mein Theil will, wie Hamlet, beten gehen,
denn nicht einmal zum Schlafen habe ich Unglücklicher
Talent, geſchweige denn zum Träumen. Gute Nacht,
Dottore!“

„Gute Nacht!“ ſagte Oswald, ſich ſchlaftrunken
aus ſeiner Sophaecke erhebend und Albert bis zur
Thür begleitend.

„keinen Schritt weiter, Dottore!“ ſagte dieſer,
„Alles hat ſeine Grenzen!“ und als die Thür ſich
hinter ihm geſchloſſen hatte, blieb er noch einen Au¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="194"/>
auswandern, wenn er das &#x017F;ehr natürliche Bedürfniß<lb/>
empfindet, einmal eine echte Cigarre zu rauchen, und<lb/>
&#x017F;ie nicht geradezu &#x017F;tehlen will, oder nicht das Glück<lb/>
hat, einen &#x017F;o liebenswürdigen Men&#x017F;chen aufzutreiben,<lb/>
wie Sie, der Sie &#x017F;ich echten Cognac und echte Cigar¬<lb/>
ren für ihre Bekannten halten und dabei noch die<lb/>
Gutmüthigkeit haben, dem Ge&#x017F;chwätze die&#x017F;er Bekann¬<lb/>
ten zuzuhören, obgleich Ihnen die Augen beinahe vor<lb/>
Müdigkeit zufallen. Der Tau&#x017F;end! Der Inhalt der<lb/>
Fla&#x017F;che hat &#x017F;ich fa&#x017F;t um den dritten Theil &#x017F;eines Vo¬<lb/>
lumens verringert. Wie vergänglich doch alles Irdi&#x017F;che<lb/>
i&#x017F;t! <hi rendition="#aq">Buona notte, Don Oswaldo! dormite bene</hi><lb/>
und träumen Sie <hi rendition="#aq">dolce</hi> von den <hi rendition="#aq">bei occhi della<lb/>
donna bella, amata, immaculuta</hi> Ihrer Sonette.<lb/>
Ich für mein Theil will, wie Hamlet, beten gehen,<lb/>
denn nicht einmal zum Schlafen habe ich Unglücklicher<lb/>
Talent, ge&#x017F;chweige denn zum Träumen. Gute Nacht,<lb/><hi rendition="#aq">Dottore</hi>!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gute Nacht!&#x201C; &#x017F;agte Oswald, &#x017F;ich &#x017F;chlaftrunken<lb/>
aus &#x017F;einer Sophaecke erhebend und Albert bis zur<lb/>
Thür begleitend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;keinen Schritt weiter, <hi rendition="#aq">Dottore</hi>!&#x201C; &#x017F;agte die&#x017F;er,<lb/>
&#x201E;Alles hat &#x017F;eine Grenzen!&#x201C; und als die Thür &#x017F;ich<lb/>
hinter ihm ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte, blieb er noch einen Au¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0204] auswandern, wenn er das ſehr natürliche Bedürfniß empfindet, einmal eine echte Cigarre zu rauchen, und ſie nicht geradezu ſtehlen will, oder nicht das Glück hat, einen ſo liebenswürdigen Menſchen aufzutreiben, wie Sie, der Sie ſich echten Cognac und echte Cigar¬ ren für ihre Bekannten halten und dabei noch die Gutmüthigkeit haben, dem Geſchwätze dieſer Bekann¬ ten zuzuhören, obgleich Ihnen die Augen beinahe vor Müdigkeit zufallen. Der Tauſend! Der Inhalt der Flaſche hat ſich faſt um den dritten Theil ſeines Vo¬ lumens verringert. Wie vergänglich doch alles Irdiſche iſt! Buona notte, Don Oswaldo! dormite bene und träumen Sie dolce von den bei occhi della donna bella, amata, immaculuta Ihrer Sonette. Ich für mein Theil will, wie Hamlet, beten gehen, denn nicht einmal zum Schlafen habe ich Unglücklicher Talent, geſchweige denn zum Träumen. Gute Nacht, Dottore!“ „Gute Nacht!“ ſagte Oswald, ſich ſchlaftrunken aus ſeiner Sophaecke erhebend und Albert bis zur Thür begleitend. „keinen Schritt weiter, Dottore!“ ſagte dieſer, „Alles hat ſeine Grenzen!“ und als die Thür ſich hinter ihm geſchloſſen hatte, blieb er noch einen Au¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/204
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/204>, abgerufen am 04.05.2024.