Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

wahr gemacht. Er fand die Chocolade, die diesmal
keineswegs enormement sucre war, vortrefflich, das
Brod vortrefflich, die Butter vortrefflich. Alles vor¬
trefflich. Und wie köstlich war der Einfall, sich an
diesem herrlichen Abend nicht in die Stube einzuschließen!
wie glücklich der Gedanke, die Tafel gerade auf die¬
sem Punkt der Terrasse zu decken, von dem man einen
so herrlichen Blick auf den Garten hatte! wie wunder¬
voll waren die Schatten und Lichter in den hohen
Bäumen drüben jenseits des Rasenplatzes! wirklich ein
Gemälde von Claude Lorrain! Wahrhaftig, Herr Baron,
wenn ich nicht Diogenes wäre, so möchte ich wol
Alexander sein! Aber freilich, wir können nicht Alle
in Schlössern hausen, es muß auch Tonnenbewohner
geben, und wohl dem Manne, dem sein Schloß nicht
wie eine Tonne, oder dem seine Tonne wie ein Schloß
erscheint! Sie sollten diesen Gedanken zu einem Epi¬
gramm verwerthen, Frau Pastor! Sie haben ein ganz
entschiedenes Talent für diese Gattung; selbst in Ihren
hoch-lyrischen Gedichten findet sich oft eine epigram¬
matische Wendung. So in dem reizenden Sonett auf
den Maikäfer. Wie heißt doch noch der Schluß?
"Des Maies Käfer, falscher Liebe Bild --" das ist
an und für sich schon ein tiefsinniges Epigramm.
Wissen Sie, daß man in Grünwald Ihre Uebersiedelung

wahr gemacht. Er fand die Chocolade, die diesmal
keineswegs énormement sucré war, vortrefflich, das
Brod vortrefflich, die Butter vortrefflich. Alles vor¬
trefflich. Und wie köſtlich war der Einfall, ſich an
dieſem herrlichen Abend nicht in die Stube einzuſchließen!
wie glücklich der Gedanke, die Tafel gerade auf die¬
ſem Punkt der Terraſſe zu decken, von dem man einen
ſo herrlichen Blick auf den Garten hatte! wie wunder¬
voll waren die Schatten und Lichter in den hohen
Bäumen drüben jenſeits des Raſenplatzes! wirklich ein
Gemälde von Claude Lorrain! Wahrhaftig, Herr Baron,
wenn ich nicht Diogenes wäre, ſo möchte ich wol
Alexander ſein! Aber freilich, wir können nicht Alle
in Schlöſſern hauſen, es muß auch Tonnenbewohner
geben, und wohl dem Manne, dem ſein Schloß nicht
wie eine Tonne, oder dem ſeine Tonne wie ein Schloß
erſcheint! Sie ſollten dieſen Gedanken zu einem Epi¬
gramm verwerthen, Frau Paſtor! Sie haben ein ganz
entſchiedenes Talent für dieſe Gattung; ſelbſt in Ihren
hoch-lyriſchen Gedichten findet ſich oft eine epigram¬
matiſche Wendung. So in dem reizenden Sonett auf
den Maikäfer. Wie heißt doch noch der Schluß?
„Des Maies Käfer, falſcher Liebe Bild —“ das iſt
an und für ſich ſchon ein tiefſinniges Epigramm.
Wiſſen Sie, daß man in Grünwald Ihre Ueberſiedelung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0174" n="164"/>
wahr gemacht. Er fand die Chocolade, die diesmal<lb/>
keineswegs <hi rendition="#aq">énormement sucré</hi> war, vortrefflich, das<lb/>
Brod vortrefflich, die Butter vortrefflich. Alles vor¬<lb/>
trefflich. Und wie kö&#x017F;tlich war der Einfall, &#x017F;ich an<lb/>
die&#x017F;em herrlichen Abend nicht in die Stube einzu&#x017F;chließen!<lb/>
wie glücklich der Gedanke, die Tafel gerade auf die¬<lb/>
&#x017F;em Punkt der Terra&#x017F;&#x017F;e zu decken, von dem man einen<lb/>
&#x017F;o herrlichen Blick auf den Garten hatte! wie wunder¬<lb/>
voll waren die Schatten und Lichter in den hohen<lb/>
Bäumen drüben jen&#x017F;eits des Ra&#x017F;enplatzes! wirklich ein<lb/>
Gemälde von Claude Lorrain! Wahrhaftig, Herr Baron,<lb/>
wenn ich nicht Diogenes wäre, &#x017F;o möchte ich wol<lb/>
Alexander &#x017F;ein! Aber freilich, wir können nicht Alle<lb/>
in Schlö&#x017F;&#x017F;ern hau&#x017F;en, es muß auch Tonnenbewohner<lb/>
geben, und wohl dem Manne, dem &#x017F;ein Schloß nicht<lb/>
wie eine Tonne, oder dem &#x017F;eine Tonne wie ein Schloß<lb/>
er&#x017F;cheint! Sie &#x017F;ollten die&#x017F;en Gedanken zu einem Epi¬<lb/>
gramm verwerthen, Frau Pa&#x017F;tor! Sie haben ein ganz<lb/>
ent&#x017F;chiedenes Talent für die&#x017F;e Gattung; &#x017F;elb&#x017F;t in Ihren<lb/>
hoch-lyri&#x017F;chen Gedichten findet &#x017F;ich oft eine epigram¬<lb/>
mati&#x017F;che Wendung. So in dem reizenden Sonett auf<lb/>
den Maikäfer. Wie heißt doch noch der Schluß?<lb/>
&#x201E;Des Maies Käfer, fal&#x017F;cher Liebe Bild &#x2014;&#x201C; das i&#x017F;t<lb/>
an und für &#x017F;ich &#x017F;chon ein tief&#x017F;inniges Epigramm.<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en Sie, daß man in Grünwald Ihre Ueber&#x017F;iedelung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0174] wahr gemacht. Er fand die Chocolade, die diesmal keineswegs énormement sucré war, vortrefflich, das Brod vortrefflich, die Butter vortrefflich. Alles vor¬ trefflich. Und wie köſtlich war der Einfall, ſich an dieſem herrlichen Abend nicht in die Stube einzuſchließen! wie glücklich der Gedanke, die Tafel gerade auf die¬ ſem Punkt der Terraſſe zu decken, von dem man einen ſo herrlichen Blick auf den Garten hatte! wie wunder¬ voll waren die Schatten und Lichter in den hohen Bäumen drüben jenſeits des Raſenplatzes! wirklich ein Gemälde von Claude Lorrain! Wahrhaftig, Herr Baron, wenn ich nicht Diogenes wäre, ſo möchte ich wol Alexander ſein! Aber freilich, wir können nicht Alle in Schlöſſern hauſen, es muß auch Tonnenbewohner geben, und wohl dem Manne, dem ſein Schloß nicht wie eine Tonne, oder dem ſeine Tonne wie ein Schloß erſcheint! Sie ſollten dieſen Gedanken zu einem Epi¬ gramm verwerthen, Frau Paſtor! Sie haben ein ganz entſchiedenes Talent für dieſe Gattung; ſelbſt in Ihren hoch-lyriſchen Gedichten findet ſich oft eine epigram¬ matiſche Wendung. So in dem reizenden Sonett auf den Maikäfer. Wie heißt doch noch der Schluß? „Des Maies Käfer, falſcher Liebe Bild —“ das iſt an und für ſich ſchon ein tiefſinniges Epigramm. Wiſſen Sie, daß man in Grünwald Ihre Ueberſiedelung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/174
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/174>, abgerufen am 25.11.2024.