gespendeten Lobsprüchen etwas dem Baron und mehr noch der Baronin besonders Wohlgefälliges gesagt zu haben. Oswald's ruhiges, sicheres Auftreten hatte seiner feigen Seele gewaltig imponirt; Primula Beris, deren Urtheile über Dinge und Menschen ihm Evan¬ gelien waren, hatte seit acht Tagen nur das Lob des jungen "Gastfreundes" gesungen, der ihr in einer Stunde mehr Verbindliches gesagt hatte, als ihr sonst vielleicht in einem Jahr gesagt wurde; heute Morgen hatte Frau von Plüggen, die Nachbarin und gute Freundin Primulas, dieser einen Besuch gemacht, um ihr von dem gestrigen Balle den pflichtschuldigen Be¬ richt abzustatten. Frau von Plüggen, eine Dame, die schon erwachsene Töchter hatte, aber noch immer gern die jugendliche spielte, war entzückt von Oswald, welcher ihr mit scheinheiliger Miene versichert hatte, sie könne sich getrost für ihre jüngste Tochter ausge¬ ben. Sie erzählte der horchenden Primula, welche Sensation Oswald's Geschicklichkeit im Schießen unter den jungen Männern hervorgebracht, welche Anerken¬ nung seine schöne Gestalt, seine feinen Manieren in der Damenwelt gefunden; wie er mit Hortense ge¬ tanzt, Frau von Berkow zu Tische geführt habe; und eigentlich, Alles in Allem, der Löwe des Tages gewe¬ sen sei. Schon daß Oswald an einer Gesellschaft,
geſpendeten Lobſprüchen etwas dem Baron und mehr noch der Baronin beſonders Wohlgefälliges geſagt zu haben. Oswald's ruhiges, ſicheres Auftreten hatte ſeiner feigen Seele gewaltig imponirt; Primula Beris, deren Urtheile über Dinge und Menſchen ihm Evan¬ gelien waren, hatte ſeit acht Tagen nur das Lob des jungen „Gaſtfreundes“ geſungen, der ihr in einer Stunde mehr Verbindliches geſagt hatte, als ihr ſonſt vielleicht in einem Jahr geſagt wurde; heute Morgen hatte Frau von Plüggen, die Nachbarin und gute Freundin Primulas, dieſer einen Beſuch gemacht, um ihr von dem geſtrigen Balle den pflichtſchuldigen Be¬ richt abzuſtatten. Frau von Plüggen, eine Dame, die ſchon erwachſene Töchter hatte, aber noch immer gern die jugendliche ſpielte, war entzückt von Oswald, welcher ihr mit ſcheinheiliger Miene verſichert hatte, ſie könne ſich getroſt für ihre jüngſte Tochter ausge¬ ben. Sie erzählte der horchenden Primula, welche Senſation Oswald's Geſchicklichkeit im Schießen unter den jungen Männern hervorgebracht, welche Anerken¬ nung ſeine ſchöne Geſtalt, ſeine feinen Manieren in der Damenwelt gefunden; wie er mit Hortenſe ge¬ tanzt, Frau von Berkow zu Tiſche geführt habe; und eigentlich, Alles in Allem, der Löwe des Tages gewe¬ ſen ſei. Schon daß Oswald an einer Geſellſchaft,
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geſpendeten Lobſprüchen etwas dem Baron und mehr
noch der Baronin beſonders Wohlgefälliges geſagt zu
haben. Oswald's ruhiges, ſicheres Auftreten hatte
ſeiner feigen Seele gewaltig imponirt; Primula Beris,
deren Urtheile über Dinge und Menſchen ihm Evan¬
gelien waren, hatte ſeit acht Tagen nur das Lob des
jungen „Gaſtfreundes“ geſungen, der ihr in einer
Stunde mehr Verbindliches geſagt hatte, als ihr ſonſt
vielleicht in einem Jahr geſagt wurde; heute Morgen
hatte Frau von Plüggen, die Nachbarin und gute
Freundin Primulas, dieſer einen Beſuch gemacht, um
ihr von dem geſtrigen Balle den pflichtſchuldigen Be¬
richt abzuſtatten. Frau von Plüggen, eine Dame, die
ſchon erwachſene Töchter hatte, aber noch immer gern
die jugendliche ſpielte, war entzückt von Oswald,
welcher ihr mit ſcheinheiliger Miene verſichert hatte,
ſie könne ſich getroſt für ihre jüngſte Tochter ausge¬
ben. Sie erzählte der horchenden Primula, welche
Senſation Oswald's Geſchicklichkeit im Schießen unter
den jungen Männern hervorgebracht, welche Anerken¬
nung ſeine ſchöne Geſtalt, ſeine feinen Manieren in
der Damenwelt gefunden; wie er mit Hortenſe ge¬
tanzt, Frau von Berkow zu Tiſche geführt habe; und
eigentlich, Alles in Allem, der Löwe des Tages gewe¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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