Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.ganze Kraft nöthig haben. Wollte Gott, wir wären Die Baronin blickte von ihrer Arbeit empor, und Der alte Baron erhob sich von seinem Stuhl, trat "Du mußt Dir nicht solche Gedanken machen, ganze Kraft nöthig haben. Wollte Gott, wir wären Die Baronin blickte von ihrer Arbeit empor, und Der alte Baron erhob ſich von ſeinem Stuhl, trat „Du mußt Dir nicht ſolche Gedanken machen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0145" n="135"/> ganze Kraft nöthig haben. Wollte Gott, wir wären<lb/> Alle ſchon glücklich wieder hier! Ich entſchließe mich<lb/> wahrlich höchſt ungern dazu. Deine angegriffene Ge¬<lb/> ſundheit — die Gefahren einer Seereiſe — und dann:<lb/> wird Dir das Bad in Helgoland auch wirklich gut<lb/> thun? Doctor Braun verſichert es freilich, aber wer<lb/> kann den Aerzten trauen? Schlägt eine Kur an, trium¬<lb/> phiren ſie, und ſchlägt ſie nicht an, ſind nicht ſie daran<lb/> Schuld, ſondern der Patient, der ſich nicht ordentlich<lb/> gehalten hat. Und was kümmert es den Herrn Doc¬<lb/> tor, ob Du geſund oder krank zurückkommſt, ob Du<lb/> lebſt oder ſtirbſt — aber ich, aber wir —, o Gren¬<lb/> witz, was ſollte wol aus uns werden, wenn Du uns<lb/> genommen würdeſt!“</p><lb/> <p>Die Baronin blickte von ihrer Arbeit empor, und<lb/> in ihren Augen blickte etwas, das man bei einer an¬<lb/> dern Frau für eine Thräne gehalten haben würde.</p><lb/> <p>Der alte Baron erhob ſich von ſeinem Stuhl, trat<lb/> auf ſeine Frau zu und küßte ſie zärtlich auf die Stirn.</p><lb/> <p>„Du mußt Dir nicht ſolche Gedanken machen,<lb/> liebe Anna-Maria,“ ſagte er gütig. „Der liebe Gott<lb/> wird mich noch nicht ſo bald ſterben laſſen; ich bete<lb/> jeden Morgen zu ihm und danke ihm für jeden neuen<lb/> Tag, den er mir ſchenkt, nicht meinethalben, denn ich<lb/> bin ein alter Mann und ſterben müſſen wir ja Alle<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0145]
ganze Kraft nöthig haben. Wollte Gott, wir wären
Alle ſchon glücklich wieder hier! Ich entſchließe mich
wahrlich höchſt ungern dazu. Deine angegriffene Ge¬
ſundheit — die Gefahren einer Seereiſe — und dann:
wird Dir das Bad in Helgoland auch wirklich gut
thun? Doctor Braun verſichert es freilich, aber wer
kann den Aerzten trauen? Schlägt eine Kur an, trium¬
phiren ſie, und ſchlägt ſie nicht an, ſind nicht ſie daran
Schuld, ſondern der Patient, der ſich nicht ordentlich
gehalten hat. Und was kümmert es den Herrn Doc¬
tor, ob Du geſund oder krank zurückkommſt, ob Du
lebſt oder ſtirbſt — aber ich, aber wir —, o Gren¬
witz, was ſollte wol aus uns werden, wenn Du uns
genommen würdeſt!“
Die Baronin blickte von ihrer Arbeit empor, und
in ihren Augen blickte etwas, das man bei einer an¬
dern Frau für eine Thräne gehalten haben würde.
Der alte Baron erhob ſich von ſeinem Stuhl, trat
auf ſeine Frau zu und küßte ſie zärtlich auf die Stirn.
„Du mußt Dir nicht ſolche Gedanken machen,
liebe Anna-Maria,“ ſagte er gütig. „Der liebe Gott
wird mich noch nicht ſo bald ſterben laſſen; ich bete
jeden Morgen zu ihm und danke ihm für jeden neuen
Tag, den er mir ſchenkt, nicht meinethalben, denn ich
bin ein alter Mann und ſterben müſſen wir ja Alle
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |