ständlich halten, kommt uns oft geradezu fabelhaft vor. Ihnen wird es z. B. nicht unglaublich er¬ scheinen, wenn ich Ihnen sage, daß mir dieses Kind hier nun schon zum dritten Male im Leben begegnet, und daß ich so abergläubisch bin, in dieser dreimaligen Begegnung viel mehr zu sehen, als einen bloßen Zu¬ fall, wie ich denn überhaupt mit Wallenstein der Meinung bin, daß es keinen Zufall giebt."
"Und wo und wann glauben Sie die Czika ge¬ sehen zu haben?"
"Das erste Mal vor vier Jahren in England. Ich ritt mit einem paar meiner englischen Freunde in einem abgelegenen Theile des Hyde-Park. Als wir im Galopp um eine Ecke biegen, steht ein Kind da -- ein braunes Kind mit großen, glänzenden, schwarzen Augen -- und hebt die Händchen bittend empor. Ich achtete seiner, in lebhaftem Gespräch begriffen, kaum. Als wir ein paar hundert Schritte weiter ge¬ ritten sind, packt es mich plötzlich wie mit Geister¬ hand. Ich kann die Empfindung, die mich überkam, nicht beschreiben. Mir war, als hätte ich, an diesem holden, hülflosen Geschöpf gleichgültig vorüberreitend, einen Frevel begangen, der mich zu dem Erbärm¬ lichsten aller Menschen machte. Ich warf mein Pferd herum, und jagte, wie wahnsinnig, nach dem Orte zu¬
ſtändlich halten, kommt uns oft geradezu fabelhaft vor. Ihnen wird es z. B. nicht unglaublich er¬ ſcheinen, wenn ich Ihnen ſage, daß mir dieſes Kind hier nun ſchon zum dritten Male im Leben begegnet, und daß ich ſo abergläubiſch bin, in dieſer dreimaligen Begegnung viel mehr zu ſehen, als einen bloßen Zu¬ fall, wie ich denn überhaupt mit Wallenſtein der Meinung bin, daß es keinen Zufall giebt.“
„Und wo und wann glauben Sie die Czika ge¬ ſehen zu haben?“
„Das erſte Mal vor vier Jahren in England. Ich ritt mit einem paar meiner engliſchen Freunde in einem abgelegenen Theile des Hyde-Park. Als wir im Galopp um eine Ecke biegen, ſteht ein Kind da — ein braunes Kind mit großen, glänzenden, ſchwarzen Augen — und hebt die Händchen bittend empor. Ich achtete ſeiner, in lebhaftem Geſpräch begriffen, kaum. Als wir ein paar hundert Schritte weiter ge¬ ritten ſind, packt es mich plötzlich wie mit Geiſter¬ hand. Ich kann die Empfindung, die mich überkam, nicht beſchreiben. Mir war, als hätte ich, an dieſem holden, hülfloſen Geſchöpf gleichgültig vorüberreitend, einen Frevel begangen, der mich zu dem Erbärm¬ lichſten aller Menſchen machte. Ich warf mein Pferd herum, und jagte, wie wahnſinnig, nach dem Orte zu¬
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ſtändlich halten, kommt uns oft geradezu fabelhaft
vor. Ihnen wird es z. B. nicht unglaublich er¬
ſcheinen, wenn ich Ihnen ſage, daß mir dieſes Kind
hier nun ſchon zum dritten Male im Leben begegnet,
und daß ich ſo abergläubiſch bin, in dieſer dreimaligen
Begegnung viel mehr zu ſehen, als einen bloßen Zu¬
fall, wie ich denn überhaupt mit Wallenſtein der
Meinung bin, daß es keinen Zufall giebt.“
„Und wo und wann glauben Sie die Czika ge¬
ſehen zu haben?“
„Das erſte Mal vor vier Jahren in England.
Ich ritt mit einem paar meiner engliſchen Freunde in
einem abgelegenen Theile des Hyde-Park. Als wir
im Galopp um eine Ecke biegen, ſteht ein Kind da —
ein braunes Kind mit großen, glänzenden, ſchwarzen
Augen — und hebt die Händchen bittend empor.
Ich achtete ſeiner, in lebhaftem Geſpräch begriffen,
kaum. Als wir ein paar hundert Schritte weiter ge¬
ritten ſind, packt es mich plötzlich wie mit Geiſter¬
hand. Ich kann die Empfindung, die mich überkam,
nicht beſchreiben. Mir war, als hätte ich, an dieſem
holden, hülfloſen Geſchöpf gleichgültig vorüberreitend,
einen Frevel begangen, der mich zu dem Erbärm¬
lichſten aller Menſchen machte. Ich warf mein Pferd
herum, und jagte, wie wahnſinnig, nach dem Orte zu¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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