Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.der Schwindsüchtige auf Genesung. Nehmen Sie zum "Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie so denken, so der Schwindſüchtige auf Geneſung. Nehmen Sie zum „Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie ſo denken, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="118"/> der Schwindſüchtige auf Geneſung. Nehmen Sie zum<lb/> Beiſpiel eine Geſellſchaft, wie die, aus der wir eben<lb/> kommen. Ich weiß, wie hohl die Freuden dieſer<lb/> Menſchen ſind, ich weiß wie kummervolle Geſichter,<lb/> welch' erbärmliche Armenſündermienen ſich hinter den<lb/> lachenden Geſellſchaftsmasken verſtecken — ich weiß,<lb/> daß dieſes hübſche Mädchen in zehn Jahren eine un¬<lb/> glückliche Frau, oder eine Idiotin iſt, daß dieſer<lb/> prächtige Junge, der den Kopf ſo hoch trägt und<lb/> ausſieht, als ob er ſämmtliche zwölf Arbeiten des<lb/> Herkules an einem Tage verrichten könne, ein plumper<lb/> Landjunker ſein wird, der gegen die Bauern das <hi rendition="#aq">jus<lb/> primae noctis</hi> geltend macht und nebenbei ſeine Frau<lb/> womöglich prügelt — das weiß ich, und weiß noch<lb/> mehr, und habe es tauſend- und aber tauſendmal im<lb/> Leben geſehen, und doch bin ich noch ſo wenig blaſirt,<lb/> daß dieſe trügeriſche Fata Morgana eine zauberiſche<lb/> Wirkung auf mich hat, bin ſo wenig ernüchtert, daß<lb/> jede hübſche Mädchenblume die Hoffnung in mir er¬<lb/> weckt, ich könnte wirklich einmal im Leben lieben oder<lb/> geliebt werden, daß jede jugendlich ſchöne männliche<lb/> Erſcheinung mich wieder an Freundſchaft glauben macht.<lb/> Hätten Sie mir ſolchen Unſinn zugetraut?“</p><lb/> <p>„Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie ſo denken, ſo<lb/> fühlen könnten.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [118/0128]
der Schwindſüchtige auf Geneſung. Nehmen Sie zum
Beiſpiel eine Geſellſchaft, wie die, aus der wir eben
kommen. Ich weiß, wie hohl die Freuden dieſer
Menſchen ſind, ich weiß wie kummervolle Geſichter,
welch' erbärmliche Armenſündermienen ſich hinter den
lachenden Geſellſchaftsmasken verſtecken — ich weiß,
daß dieſes hübſche Mädchen in zehn Jahren eine un¬
glückliche Frau, oder eine Idiotin iſt, daß dieſer
prächtige Junge, der den Kopf ſo hoch trägt und
ausſieht, als ob er ſämmtliche zwölf Arbeiten des
Herkules an einem Tage verrichten könne, ein plumper
Landjunker ſein wird, der gegen die Bauern das jus
primae noctis geltend macht und nebenbei ſeine Frau
womöglich prügelt — das weiß ich, und weiß noch
mehr, und habe es tauſend- und aber tauſendmal im
Leben geſehen, und doch bin ich noch ſo wenig blaſirt,
daß dieſe trügeriſche Fata Morgana eine zauberiſche
Wirkung auf mich hat, bin ſo wenig ernüchtert, daß
jede hübſche Mädchenblume die Hoffnung in mir er¬
weckt, ich könnte wirklich einmal im Leben lieben oder
geliebt werden, daß jede jugendlich ſchöne männliche
Erſcheinung mich wieder an Freundſchaft glauben macht.
Hätten Sie mir ſolchen Unſinn zugetraut?“
„Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie ſo denken, ſo
fühlen könnten.“
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