Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.Chevalereskes, das man heut zu Tage nur zu selten "Ich höre stets auf das, was Sie sagen, liebe Die Damen waren eingestiegen, Adolf von Breesen Chevalereskes, das man heut zu Tage nur zu ſelten „Ich höre ſtets auf das, was Sie ſagen, liebe Die Damen waren eingeſtiegen, Adolf von Breeſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="106"/> Chevalereskes, das man heut zu Tage nur zu ſelten<lb/> und nur bei unſern jungen Leuten aus den beſten<lb/> Familien findet. Adolf kann in dieſer Hinſicht noch<lb/> ſehr viel lernen. Hörſt Du, Adolf?“</p><lb/> <p>„Ich höre ſtets auf das, was Sie ſagen, liebe<lb/> Tante,“ antwortete der junge Mann, der mit ſeiner<lb/> Schweſter folgte, „auch wenn ich, was Sie ſagen,<lb/> ſchon ein oder das andre Mal von Ihnen gehört haben<lb/> ſollte. Emilie, Kind, wo haſt Du denn die Augen,<lb/> Du wärſt um ein Haar unter das Rad gekommen!“</p><lb/> <p>Die Damen waren eingeſtiegen, Adolf von Breeſen<lb/> gab dem Kutſcher auf dem Bocke noch eine Inſtruc¬<lb/> tion über den einzuſchlagenden Weg. Oswald ſtand<lb/> an der geöffneten Thür, die Tante hatte ſich ſchon<lb/> bequem in ihrer dunkeln Ecke zurecht geſetzt, Emilie<lb/> hatte ſich etwas nach vorn gebeugt. Das Licht von<lb/> den Laternen auf dem Bocke und vor der Hausthür<lb/> fiel auf ihr Geſicht. Ihre Blicke hingen unverwandt<lb/> an Oswald; aber ſie ſah ihn wol kaum, denn ihre<lb/> großen Augen waren von Thränen verſchleiert; ſie<lb/> wagte nicht zu ſprechen, aber ihr leiſe zuckender Mund<lb/> war beredt genug. Ihr Bruder ſprang in den Wagen<lb/> und zog die Thür hinter ſich zu. „Fort!“ die Pferde<lb/> zogen an. Eine kleine Hand in weißem Handſchuh<lb/> winkte aus dem Fenſter. Das war das letzte Liebes¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0116]
Chevalereskes, das man heut zu Tage nur zu ſelten
und nur bei unſern jungen Leuten aus den beſten
Familien findet. Adolf kann in dieſer Hinſicht noch
ſehr viel lernen. Hörſt Du, Adolf?“
„Ich höre ſtets auf das, was Sie ſagen, liebe
Tante,“ antwortete der junge Mann, der mit ſeiner
Schweſter folgte, „auch wenn ich, was Sie ſagen,
ſchon ein oder das andre Mal von Ihnen gehört haben
ſollte. Emilie, Kind, wo haſt Du denn die Augen,
Du wärſt um ein Haar unter das Rad gekommen!“
Die Damen waren eingeſtiegen, Adolf von Breeſen
gab dem Kutſcher auf dem Bocke noch eine Inſtruc¬
tion über den einzuſchlagenden Weg. Oswald ſtand
an der geöffneten Thür, die Tante hatte ſich ſchon
bequem in ihrer dunkeln Ecke zurecht geſetzt, Emilie
hatte ſich etwas nach vorn gebeugt. Das Licht von
den Laternen auf dem Bocke und vor der Hausthür
fiel auf ihr Geſicht. Ihre Blicke hingen unverwandt
an Oswald; aber ſie ſah ihn wol kaum, denn ihre
großen Augen waren von Thränen verſchleiert; ſie
wagte nicht zu ſprechen, aber ihr leiſe zuckender Mund
war beredt genug. Ihr Bruder ſprang in den Wagen
und zog die Thür hinter ſich zu. „Fort!“ die Pferde
zogen an. Eine kleine Hand in weißem Handſchuh
winkte aus dem Fenſter. Das war das letzte Liebes¬
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