"Das war sehr unrecht, und sehr unritterlich, mein Ritter von der traurigen Gestalt," sagte Olden¬ burg; "alte Weiber schwatzen, Männer handeln; solche Scenen zwischen einem heulenden Weibe und einem polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬ bejisch und gemein, und das Bewußtsein, das wir im Rechte, der andere im Unrechte ist, sollte uns doppelt mild, zartfühlend und nachsichtig machen. Im Un¬ rechte sein, und es noch dazu eingestehen müssen, ist an sich schon Unglück genug."
"Ach Oldenburg; das ist Alles für mich zu hoch. Und dann, Du kennst die Weiber nicht, wenn Du glaubst, sie nehmen sich dergleichen so sehr zu Ge¬ müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob Du Hortense ansehen kannst, daß ich ihr vor zehn Minuten gesagt habe, ich würde Cloten die Knochen im Leibe entzweischlagen, wenn die verdammte Ge¬ schichte nicht sofort ein Ende nähme."
"Ja, ja, Du bist der wahre Othello! Und ich in meiner gutmüthigen Dummheit versuche diesen bru¬ talen Mohren zu einem civilisirten Europäer zu waschen! Quelle betise!"
Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr vernahm, und die Musik, die aus dem Saale herüber¬
„Das war ſehr unrecht, und ſehr unritterlich, mein Ritter von der traurigen Geſtalt,“ ſagte Olden¬ burg; „alte Weiber ſchwatzen, Männer handeln; ſolche Scenen zwiſchen einem heulenden Weibe und einem polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬ bejiſch und gemein, und das Bewußtſein, das wir im Rechte, der andere im Unrechte iſt, ſollte uns doppelt mild, zartfühlend und nachſichtig machen. Im Un¬ rechte ſein, und es noch dazu eingeſtehen müſſen, iſt an ſich ſchon Unglück genug.“
„Ach Oldenburg; das iſt Alles für mich zu hoch. Und dann, Du kennſt die Weiber nicht, wenn Du glaubſt, ſie nehmen ſich dergleichen ſo ſehr zu Ge¬ müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob Du Hortenſe anſehen kannſt, daß ich ihr vor zehn Minuten geſagt habe, ich würde Cloten die Knochen im Leibe entzweiſchlagen, wenn die verdammte Ge¬ ſchichte nicht ſofort ein Ende nähme.“
„Ja, ja, Du biſt der wahre Othello! Und ich in meiner gutmüthigen Dummheit verſuche dieſen bru¬ talen Mohren zu einem civiliſirten Europäer zu waſchen! Quelle bêtise!“
Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr vernahm, und die Muſik, die aus dem Saale herüber¬
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„Das war ſehr unrecht, und ſehr unritterlich,
mein Ritter von der traurigen Geſtalt,“ ſagte Olden¬
burg; „alte Weiber ſchwatzen, Männer handeln; ſolche
Scenen zwiſchen einem heulenden Weibe und einem
polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬
bejiſch und gemein, und das Bewußtſein, das wir im
Rechte, der andere im Unrechte iſt, ſollte uns doppelt
mild, zartfühlend und nachſichtig machen. Im Un¬
rechte ſein, und es noch dazu eingeſtehen müſſen, iſt
an ſich ſchon Unglück genug.“
„Ach Oldenburg; das iſt Alles für mich zu hoch.
Und dann, Du kennſt die Weiber nicht, wenn Du
glaubſt, ſie nehmen ſich dergleichen ſo ſehr zu Ge¬
müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder
heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob
Du Hortenſe anſehen kannſt, daß ich ihr vor zehn
Minuten geſagt habe, ich würde Cloten die Knochen
im Leibe entzweiſchlagen, wenn die verdammte Ge¬
ſchichte nicht ſofort ein Ende nähme.“
„Ja, ja, Du biſt der wahre Othello! Und ich in
meiner gutmüthigen Dummheit verſuche dieſen bru¬
talen Mohren zu einem civiliſirten Europäer zu
waſchen! Quelle bêtise!“
Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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