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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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der Neuerer zu ergreifen; der unsere Societät nur auf¬
zusuchen scheint, um sich über uns lustig zu machen --
ein solcher Mann hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn
wir unser Interesse und unsere Theilnahme Anderen
zuwenden, die es besser verdienen."

"Ei, an Interesse von Seiten der Anderen hat es,
däucht mir, Oldenburg schon damals nicht gefehlt, und
wird es, glaube ich, ihm auch jetzt wieder nicht fehlen.
Ich weiß eigentlich nicht, weshalb sich alle Welt so
viel um einen Mann bekümmert, der sich an die Welt
im Großen und Kleinen so sehr wenig kehrt."

"Das ist wohl sehr erklärlich, liebe Melitta. Die
Oldenburgs gehören zu unseren ältesten Familien, es
kann uns nicht gleichgültig sein, ob der letzte Sprosse
einer solchen Familie ein Plebejer wird, oder nicht."

"Oldenburg wird nie ein Plebejer werden," sagte
die jüngere Dame mit einiger Wärme.

"Ei, ei, liebe Melitta! Sie nehmen sich ja des
Barons recht lebhaft an. Wollen Sie auch etwa seinen
unmoralischen Lebenswandel vertheidigen, seine Liebes¬
affairen, mit denen er die chronique scandaleuse
nicht nur unserer Gegend bereichert hat?"

"Ich habe nie, so viel ich weiß, etwas Unmora¬
lisches gethan oder gut geheißen," sagte Frau von
Berkow noch lebhafter wie zuvor. "Und was Herrn

der Neuerer zu ergreifen; der unſere Societät nur auf¬
zuſuchen ſcheint, um ſich über uns luſtig zu machen —
ein ſolcher Mann hat es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn
wir unſer Intereſſe und unſere Theilnahme Anderen
zuwenden, die es beſſer verdienen.“

„Ei, an Intereſſe von Seiten der Anderen hat es,
däucht mir, Oldenburg ſchon damals nicht gefehlt, und
wird es, glaube ich, ihm auch jetzt wieder nicht fehlen.
Ich weiß eigentlich nicht, weshalb ſich alle Welt ſo
viel um einen Mann bekümmert, der ſich an die Welt
im Großen und Kleinen ſo ſehr wenig kehrt.“

„Das iſt wohl ſehr erklärlich, liebe Melitta. Die
Oldenburgs gehören zu unſeren älteſten Familien, es
kann uns nicht gleichgültig ſein, ob der letzte Sproſſe
einer ſolchen Familie ein Plebejer wird, oder nicht.“

„Oldenburg wird nie ein Plebejer werden,“ ſagte
die jüngere Dame mit einiger Wärme.

„Ei, ei, liebe Melitta! Sie nehmen ſich ja des
Barons recht lebhaft an. Wollen Sie auch etwa ſeinen
unmoraliſchen Lebenswandel vertheidigen, ſeine Liebes¬
affairen, mit denen er die chronique scandaleuse
nicht nur unſerer Gegend bereichert hat?“

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[64/0074] der Neuerer zu ergreifen; der unſere Societät nur auf¬ zuſuchen ſcheint, um ſich über uns luſtig zu machen — ein ſolcher Mann hat es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn wir unſer Intereſſe und unſere Theilnahme Anderen zuwenden, die es beſſer verdienen.“ „Ei, an Intereſſe von Seiten der Anderen hat es, däucht mir, Oldenburg ſchon damals nicht gefehlt, und wird es, glaube ich, ihm auch jetzt wieder nicht fehlen. Ich weiß eigentlich nicht, weshalb ſich alle Welt ſo viel um einen Mann bekümmert, der ſich an die Welt im Großen und Kleinen ſo ſehr wenig kehrt.“ „Das iſt wohl ſehr erklärlich, liebe Melitta. Die Oldenburgs gehören zu unſeren älteſten Familien, es kann uns nicht gleichgültig ſein, ob der letzte Sproſſe einer ſolchen Familie ein Plebejer wird, oder nicht.“ „Oldenburg wird nie ein Plebejer werden,“ ſagte die jüngere Dame mit einiger Wärme. „Ei, ei, liebe Melitta! Sie nehmen ſich ja des Barons recht lebhaft an. Wollen Sie auch etwa ſeinen unmoraliſchen Lebenswandel vertheidigen, ſeine Liebes¬ affairen, mit denen er die chronique scandaleuse nicht nur unſerer Gegend bereichert hat?“ „Ich habe nie, ſo viel ich weiß, etwas Unmora¬ liſches gethan oder gut geheißen,“ ſagte Frau von Berkow noch lebhafter wie zuvor. „Und was Herrn

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/74>, abgerufen am 26.11.2024.