Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

die braune Lise maltraitirt" -- er sagte aber: mal¬
traisirt -- "ich will Dir Deine Faulheit eintränken,
Du Himmeltausendsappermenter!"

Diese energische Rede halten, vom Pferde springen,
in die Hand speien, um den Griff seiner schweren Reit¬
peitsche fester fassen zu können, und anfangen, damit
den breiten Rücken des Knechts nach allen Regeln zu
bearbeiten, war für den diensteifrigen Inspector das
Werk eines Augenblicks.

"Ich lasse mich nicht schlagen, Herr Inspector,"
remonstrirte der Mensch.

"Du läßt Dich nicht schlagen, Du Lümmel," ant¬
wortete der, unverdrossen weiter arbeitend, "glaub's
wohl, aber Deine Schläge kriegst Du doch."

Oswald, dem diese Scene peinlich wurde, so reich¬
lich der Mensch seine Züchtigung verdient hatte, bat
Herrn Wrempe, es nun gut sein zu lassen. Der ver¬
stattete seinem Zorn noch einen letzten kräftigen Hieb,
und sagte dann, wie zum Schluß einer vernünftigen
Auseinandersetzung:

"Na, nu komm, Jochen! wir wollen den Wagen
wieder in Schick bringen."

Dann stemmte er seine mächtigen Schultern gegen
das Fuhrwerk, hob und schob es zurecht, als ob es
ein Kinderwägelchen gewesen wäre. Die Pferde, die

die braune Liſe maltraitirt“ — er ſagte aber: mal¬
traiſirt — „ich will Dir Deine Faulheit eintränken,
Du Himmeltauſendſappermenter!“

Dieſe energiſche Rede halten, vom Pferde ſpringen,
in die Hand ſpeien, um den Griff ſeiner ſchweren Reit¬
peitſche feſter faſſen zu können, und anfangen, damit
den breiten Rücken des Knechts nach allen Regeln zu
bearbeiten, war für den dienſteifrigen Inſpector das
Werk eines Augenblicks.

„Ich laſſe mich nicht ſchlagen, Herr Inſpector,“
remonſtrirte der Menſch.

„Du läßt Dich nicht ſchlagen, Du Lümmel,“ ant¬
wortete der, unverdroſſen weiter arbeitend, „glaub's
wohl, aber Deine Schläge kriegſt Du doch.“

Oswald, dem dieſe Scene peinlich wurde, ſo reich¬
lich der Menſch ſeine Züchtigung verdient hatte, bat
Herrn Wrempe, es nun gut ſein zu laſſen. Der ver¬
ſtattete ſeinem Zorn noch einen letzten kräftigen Hieb,
und ſagte dann, wie zum Schluß einer vernünftigen
Auseinanderſetzung:

„Na, nu komm, Jochen! wir wollen den Wagen
wieder in Schick bringen.“

Dann ſtemmte er ſeine mächtigen Schultern gegen
das Fuhrwerk, hob und ſchob es zurecht, als ob es
ein Kinderwägelchen geweſen wäre. Die Pferde, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="53"/>
die braune Li&#x017F;e maltraitirt&#x201C; &#x2014; er &#x017F;agte aber: mal¬<lb/>
trai&#x017F;irt &#x2014; &#x201E;ich will Dir Deine Faulheit eintränken,<lb/>
Du Himmeltau&#x017F;end&#x017F;appermenter!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e energi&#x017F;che Rede halten, vom Pferde &#x017F;pringen,<lb/>
in die Hand &#x017F;peien, um den Griff &#x017F;einer &#x017F;chweren Reit¬<lb/>
peit&#x017F;che fe&#x017F;ter fa&#x017F;&#x017F;en zu können, und anfangen, damit<lb/>
den breiten Rücken des Knechts nach allen Regeln zu<lb/>
bearbeiten, war für den dien&#x017F;teifrigen In&#x017F;pector das<lb/>
Werk eines Augenblicks.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich la&#x017F;&#x017F;e mich nicht &#x017F;chlagen, Herr In&#x017F;pector,&#x201C;<lb/>
remon&#x017F;trirte der Men&#x017F;ch.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du läßt Dich nicht &#x017F;chlagen, Du Lümmel,&#x201C; ant¬<lb/>
wortete der, unverdro&#x017F;&#x017F;en weiter arbeitend, &#x201E;glaub's<lb/>
wohl, aber Deine Schläge krieg&#x017F;t Du doch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Oswald, dem die&#x017F;e Scene peinlich wurde, &#x017F;o reich¬<lb/>
lich der Men&#x017F;ch &#x017F;eine Züchtigung verdient hatte, bat<lb/>
Herrn Wrempe, es nun gut &#x017F;ein zu la&#x017F;&#x017F;en. Der ver¬<lb/>
&#x017F;tattete &#x017F;einem Zorn noch einen letzten kräftigen Hieb,<lb/>
und &#x017F;agte dann, wie zum Schluß einer vernünftigen<lb/>
Auseinander&#x017F;etzung:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Na, nu komm, Jochen! wir wollen den Wagen<lb/>
wieder in Schick bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dann &#x017F;temmte er &#x017F;eine mächtigen Schultern gegen<lb/>
das Fuhrwerk, hob und &#x017F;chob es zurecht, als ob es<lb/>
ein Kinderwägelchen gewe&#x017F;en wäre. Die Pferde, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0063] die braune Liſe maltraitirt“ — er ſagte aber: mal¬ traiſirt — „ich will Dir Deine Faulheit eintränken, Du Himmeltauſendſappermenter!“ Dieſe energiſche Rede halten, vom Pferde ſpringen, in die Hand ſpeien, um den Griff ſeiner ſchweren Reit¬ peitſche feſter faſſen zu können, und anfangen, damit den breiten Rücken des Knechts nach allen Regeln zu bearbeiten, war für den dienſteifrigen Inſpector das Werk eines Augenblicks. „Ich laſſe mich nicht ſchlagen, Herr Inſpector,“ remonſtrirte der Menſch. „Du läßt Dich nicht ſchlagen, Du Lümmel,“ ant¬ wortete der, unverdroſſen weiter arbeitend, „glaub's wohl, aber Deine Schläge kriegſt Du doch.“ Oswald, dem dieſe Scene peinlich wurde, ſo reich¬ lich der Menſch ſeine Züchtigung verdient hatte, bat Herrn Wrempe, es nun gut ſein zu laſſen. Der ver¬ ſtattete ſeinem Zorn noch einen letzten kräftigen Hieb, und ſagte dann, wie zum Schluß einer vernünftigen Auseinanderſetzung: „Na, nu komm, Jochen! wir wollen den Wagen wieder in Schick bringen.“ Dann ſtemmte er ſeine mächtigen Schultern gegen das Fuhrwerk, hob und ſchob es zurecht, als ob es ein Kinderwägelchen geweſen wäre. Die Pferde, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/63
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/63>, abgerufen am 17.05.2024.