ringe Zahl der Paukereien, die unwürdig kleine Quan¬ tität Biers, so in einem Abend vertilgt würde, und so weiter und so weiter. Dabei glänzten seine Augen bei der bloßen Erinnerung an all die versunkene Herr¬ lichkeit, und er sprach sich in eine solche Rührung hinein, daß er schließlich den sentimentalen Wunsch äußerte, all die rheinischen Demokraten, wie er sie nennt, die auf dem letzten Provinzial-Landtage wiederum die alten gotteslästerlichen Petitionen um Preßfreiheit, Freizügigkeit u. eingebracht hätten, möchten nur einen Hals haben, damit -- er machte eine bezeichnende Hand¬ bewegung -- des Geschreies endlich einmal ein Ende würde."
"Natürlich," sagte Oswald, "wenn die Herren jung sind, singen sie: "Freiheit, die ich meine," das klingt sehr poetisch, wenn man es von fern hört, und sie selbst singen sich dabei in eine gelinde Rührung hinein, in welcher sie halb und halb glauben, sie hätten in der That eine Meinung. Das ist aber eine reine Hallu¬ cination, oder im Falle ja einmal einer wirklich etwas meint, so ist es die Freiheit: den Philister verhöhnen, Fenster einwerfen, die öffentlichen Locale unsicher machen, und andere Heldenthaten ungestraft verrichten zu können; und dann die spätere Freiheit, als ganz gehorsamster Endesunterzeichneter in tiefunterthänigster Demuth zu
ringe Zahl der Paukereien, die unwürdig kleine Quan¬ tität Biers, ſo in einem Abend vertilgt würde, und ſo weiter und ſo weiter. Dabei glänzten ſeine Augen bei der bloßen Erinnerung an all die verſunkene Herr¬ lichkeit, und er ſprach ſich in eine ſolche Rührung hinein, daß er ſchließlich den ſentimentalen Wunſch äußerte, all die rheiniſchen Demokraten, wie er ſie nennt, die auf dem letzten Provinzial-Landtage wiederum die alten gottesläſterlichen Petitionen um Preßfreiheit, Freizügigkeit u. eingebracht hätten, möchten nur einen Hals haben, damit — er machte eine bezeichnende Hand¬ bewegung — des Geſchreies endlich einmal ein Ende würde.“
„Natürlich,“ ſagte Oswald, „wenn die Herren jung ſind, ſingen ſie: „Freiheit, die ich meine,“ das klingt ſehr poetiſch, wenn man es von fern hört, und ſie ſelbſt ſingen ſich dabei in eine gelinde Rührung hinein, in welcher ſie halb und halb glauben, ſie hätten in der That eine Meinung. Das iſt aber eine reine Hallu¬ cination, oder im Falle ja einmal einer wirklich etwas meint, ſo iſt es die Freiheit: den Philiſter verhöhnen, Fenſter einwerfen, die öffentlichen Locale unſicher machen, und andere Heldenthaten ungeſtraft verrichten zu können; und dann die ſpätere Freiheit, als ganz gehorſamſter Endesunterzeichneter in tiefunterthänigſter Demuth zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0252"n="242"/>
ringe Zahl der Paukereien, die unwürdig kleine Quan¬<lb/>
tität Biers, ſo in einem Abend vertilgt würde, und ſo<lb/>
weiter und ſo weiter. Dabei glänzten ſeine Augen bei<lb/>
der bloßen Erinnerung an all die verſunkene Herr¬<lb/>
lichkeit, und er ſprach ſich in eine ſolche Rührung<lb/>
hinein, daß er ſchließlich den ſentimentalen Wunſch<lb/>
äußerte, all die rheiniſchen Demokraten, wie er ſie<lb/>
nennt, die auf dem letzten Provinzial-Landtage wiederum<lb/>
die alten gottesläſterlichen Petitionen um Preßfreiheit,<lb/>
Freizügigkeit u. eingebracht hätten, möchten nur einen Hals<lb/>
haben, damit — er machte eine bezeichnende Hand¬<lb/>
bewegung — des Geſchreies endlich einmal ein Ende<lb/>
würde.“</p><lb/><p>„Natürlich,“ſagte Oswald, „wenn die Herren jung<lb/>ſind, ſingen ſie: „Freiheit, die ich meine,“ das klingt<lb/>ſehr poetiſch, wenn man es von fern hört, und ſie<lb/>ſelbſt ſingen ſich dabei in eine gelinde Rührung hinein,<lb/>
in welcher ſie halb und halb glauben, ſie hätten in der<lb/>
That eine Meinung. Das iſt aber eine reine Hallu¬<lb/>
cination, oder im Falle ja einmal einer wirklich etwas<lb/>
meint, ſo iſt es die Freiheit: den Philiſter verhöhnen,<lb/>
Fenſter einwerfen, die öffentlichen Locale unſicher machen,<lb/>
und andere Heldenthaten ungeſtraft verrichten zu können;<lb/>
und dann die ſpätere Freiheit, als ganz gehorſamſter<lb/>
Endesunterzeichneter in tiefunterthänigſter Demuth zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[242/0252]
ringe Zahl der Paukereien, die unwürdig kleine Quan¬
tität Biers, ſo in einem Abend vertilgt würde, und ſo
weiter und ſo weiter. Dabei glänzten ſeine Augen bei
der bloßen Erinnerung an all die verſunkene Herr¬
lichkeit, und er ſprach ſich in eine ſolche Rührung
hinein, daß er ſchließlich den ſentimentalen Wunſch
äußerte, all die rheiniſchen Demokraten, wie er ſie
nennt, die auf dem letzten Provinzial-Landtage wiederum
die alten gottesläſterlichen Petitionen um Preßfreiheit,
Freizügigkeit u. eingebracht hätten, möchten nur einen Hals
haben, damit — er machte eine bezeichnende Hand¬
bewegung — des Geſchreies endlich einmal ein Ende
würde.“
„Natürlich,“ ſagte Oswald, „wenn die Herren jung
ſind, ſingen ſie: „Freiheit, die ich meine,“ das klingt
ſehr poetiſch, wenn man es von fern hört, und ſie
ſelbſt ſingen ſich dabei in eine gelinde Rührung hinein,
in welcher ſie halb und halb glauben, ſie hätten in der
That eine Meinung. Das iſt aber eine reine Hallu¬
cination, oder im Falle ja einmal einer wirklich etwas
meint, ſo iſt es die Freiheit: den Philiſter verhöhnen,
Fenſter einwerfen, die öffentlichen Locale unſicher machen,
und andere Heldenthaten ungeſtraft verrichten zu können;
und dann die ſpätere Freiheit, als ganz gehorſamſter
Endesunterzeichneter in tiefunterthänigſter Demuth zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.