Ranken ganz vergittert sein; aber meine Stube wird leer stehen, nur die Sonnenstrahlen werden durch die Blätter schimmern und die Regentropfen daran hin¬ unterrinnen, und keine Menschen und keine Thierseele wird sich darüber freuen."
"Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen," sagte Oswald.
"Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!" seufzte der Andere. Ich sage Ihnen, so ein Fenster giebt es auf der weiten Welt nicht mehr. -- In der tiefen Nische steht ein Lehnstuhl, mit schwarzem Leder überzogen, den mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem Geburtstage geschenkt hat; -- eine Schlummerwalze, die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag selbst ge¬ häkelt hat, hänkt an der Lehne -- na, das läßt sich eben nicht beschreiben. Aber da so zu sitzen an einem Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬ kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch die Blätter herauszieht --"
Bei diesen Worten blies Herr Bemperlein zwei mächtige Rauchwolken aus seiner Cigarre durch das geöffnete Fenster, an dem er saß, und schüttelte weh¬ müthig den Kopf, als wollte er sagen: das bringt hier
.Spielhagen, Naturen I 15
Ranken ganz vergittert ſein; aber meine Stube wird leer ſtehen, nur die Sonnenſtrahlen werden durch die Blätter ſchimmern und die Regentropfen daran hin¬ unterrinnen, und keine Menſchen und keine Thierſeele wird ſich darüber freuen.“
„Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,“ ſagte Oswald.
„Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!“ ſeufzte der Andere. Ich ſage Ihnen, ſo ein Fenſter giebt es auf der weiten Welt nicht mehr. — In der tiefen Niſche ſteht ein Lehnſtuhl, mit ſchwarzem Leder überzogen, den mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem Geburtstage geſchenkt hat; — eine Schlummerwalze, die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag ſelbſt ge¬ häkelt hat, hänkt an der Lehne — na, das läßt ſich eben nicht beſchreiben. Aber da ſo zu ſitzen an einem Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬ kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch die Blätter herauszieht —“
Bei dieſen Worten blies Herr Bemperlein zwei mächtige Rauchwolken aus ſeiner Cigarre durch das geöffnete Fenſter, an dem er ſaß, und ſchüttelte weh¬ müthig den Kopf, als wollte er ſagen: das bringt hier
.Spielhagen, Naturen I 15
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0235"n="225"/>
Ranken ganz vergittert ſein; aber meine Stube wird<lb/>
leer ſtehen, nur die Sonnenſtrahlen werden durch die<lb/>
Blätter ſchimmern und die Regentropfen daran hin¬<lb/>
unterrinnen, und keine Menſchen und keine Thierſeele<lb/>
wird ſich darüber freuen.“</p><lb/><p>„Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,“<lb/>ſagte Oswald.</p><lb/><p>„Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!“ſeufzte der<lb/>
Andere. Ich ſage Ihnen, ſo ein Fenſter giebt es auf<lb/>
der weiten Welt nicht mehr. — In der tiefen Niſche<lb/>ſteht ein Lehnſtuhl, mit ſchwarzem Leder überzogen, den<lb/>
mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem<lb/>
Geburtstage geſchenkt hat; — eine Schlummerwalze,<lb/>
die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag ſelbſt ge¬<lb/>
häkelt hat, hänkt an der Lehne — na, das läßt ſich<lb/>
eben nicht beſchreiben. Aber da ſo zu ſitzen an einem<lb/>
Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬<lb/>
kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen<lb/>
und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch<lb/>
die Blätter herauszieht —“</p><lb/><p>Bei dieſen Worten blies Herr Bemperlein zwei<lb/>
mächtige Rauchwolken aus ſeiner Cigarre durch das<lb/>
geöffnete Fenſter, an dem er ſaß, und ſchüttelte weh¬<lb/>
müthig den Kopf, als wollte er ſagen: das bringt hier<lb/><fwplace="bottom"type="sig">.Spielhagen, Naturen <hirendition="#aq">I</hi> 15<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[225/0235]
Ranken ganz vergittert ſein; aber meine Stube wird
leer ſtehen, nur die Sonnenſtrahlen werden durch die
Blätter ſchimmern und die Regentropfen daran hin¬
unterrinnen, und keine Menſchen und keine Thierſeele
wird ſich darüber freuen.“
„Ich glaube, ich kann Ihnen das nachfühlen,“
ſagte Oswald.
„Unmöglich, lieber Collega, unmöglich!“ ſeufzte der
Andere. Ich ſage Ihnen, ſo ein Fenſter giebt es auf
der weiten Welt nicht mehr. — In der tiefen Niſche
ſteht ein Lehnſtuhl, mit ſchwarzem Leder überzogen, den
mir Frau von Berkow vor zwei Jahren zu meinem
Geburtstage geſchenkt hat; — eine Schlummerwalze,
die Sie mir zu meinem letzten Geburtstag ſelbſt ge¬
häkelt hat, hänkt an der Lehne — na, das läßt ſich
eben nicht beſchreiben. Aber da ſo zu ſitzen an einem
Sommerabend, wenn die Stimmen von Frau von Ber¬
kow und Julius aus dem Garten zu mir herauf tönen
und der Rauch meiner Cigarre in blauen Streifen durch
die Blätter herauszieht —“
Bei dieſen Worten blies Herr Bemperlein zwei
mächtige Rauchwolken aus ſeiner Cigarre durch das
geöffnete Fenſter, an dem er ſaß, und ſchüttelte weh¬
müthig den Kopf, als wollte er ſagen: das bringt hier
.Spielhagen, Naturen I 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/235>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.