alten Mannes bei jedem Worte, das Melitta sprach, heller und heller wurde, wie er den vorher auf den Gast fixirten Blick von diesem zu jener, von jener zu diesem wandte, als wollte er sagen: Na, seht ihr, junges Volk, daß ihr ohne den alten Baumann nicht fertig werden könnt! und zuletzt sagte:
"Nun, was den Kellerschlüssel betrifft, so habe ich selbigen wie immer in meiner Tasche, gnädige Frau."
"Ja, das ist ja auch wahr, und wie ist es mit dem Speisekammerschlüssel?"
"Eine Menschenmöglichkeit ist noch, daß Mamsell ihn wieder unter den Abstreicher gelegt hat, trotzdem ich sie schon oft dieserhalb verwarnet habe."
"Will er denn einmal nachsehen, Baumann?"
"Zu Befehl."
Sobald sich die Thür hinter dem alten Manne geschlossen hatte, warf sich Melitta lachend in einen Schaukelstuhl.
"Habe ich es nicht gesagt?" rief sie, sich hin- und herwiegend, lustig wie ein Kind, das seinen Willen durchgesetzt hat; "habe ich es nicht gesagt?"
Oswald hatte sich ihr gegenüber an den großen runden Tisch gesetzt, auf dem ein aufgeschlagenes Album und allerlei Zeichenmaterialien lagen. Seine Hand
alten Mannes bei jedem Worte, das Melitta ſprach, heller und heller wurde, wie er den vorher auf den Gaſt fixirten Blick von dieſem zu jener, von jener zu dieſem wandte, als wollte er ſagen: Na, ſeht ihr, junges Volk, daß ihr ohne den alten Baumann nicht fertig werden könnt! und zuletzt ſagte:
„Nun, was den Kellerſchlüſſel betrifft, ſo habe ich ſelbigen wie immer in meiner Taſche, gnädige Frau.“
„Ja, das iſt ja auch wahr, und wie iſt es mit dem Speiſekammerſchlüſſel?“
„Eine Menſchenmöglichkeit iſt noch, daß Mamſell ihn wieder unter den Abſtreicher gelegt hat, trotzdem ich ſie ſchon oft dieſerhalb verwarnet habe.“
„Will er denn einmal nachſehen, Baumann?“
„Zu Befehl.“
Sobald ſich die Thür hinter dem alten Manne geſchloſſen hatte, warf ſich Melitta lachend in einen Schaukelſtuhl.
„Habe ich es nicht geſagt?“ rief ſie, ſich hin- und herwiegend, luſtig wie ein Kind, das ſeinen Willen durchgeſetzt hat; „habe ich es nicht geſagt?“
Oswald hatte ſich ihr gegenüber an den großen runden Tiſch geſetzt, auf dem ein aufgeſchlagenes Album und allerlei Zeichenmaterialien lagen. Seine Hand
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[172/0182]
alten Mannes bei jedem Worte, das Melitta ſprach,
heller und heller wurde, wie er den vorher auf den
Gaſt fixirten Blick von dieſem zu jener, von jener zu
dieſem wandte, als wollte er ſagen: Na, ſeht ihr,
junges Volk, daß ihr ohne den alten Baumann nicht
fertig werden könnt! und zuletzt ſagte:
„Nun, was den Kellerſchlüſſel betrifft, ſo habe ich
ſelbigen wie immer in meiner Taſche, gnädige Frau.“
„Ja, das iſt ja auch wahr, und wie iſt es mit
dem Speiſekammerſchlüſſel?“
„Eine Menſchenmöglichkeit iſt noch, daß Mamſell
ihn wieder unter den Abſtreicher gelegt hat, trotzdem
ich ſie ſchon oft dieſerhalb verwarnet habe.“
„Will er denn einmal nachſehen, Baumann?“
„Zu Befehl.“
Sobald ſich die Thür hinter dem alten Manne
geſchloſſen hatte, warf ſich Melitta lachend in einen
Schaukelſtuhl.
„Habe ich es nicht geſagt?“ rief ſie, ſich hin- und
herwiegend, luſtig wie ein Kind, das ſeinen Willen
durchgeſetzt hat; „habe ich es nicht geſagt?“
Oswald hatte ſich ihr gegenüber an den großen
runden Tiſch geſetzt, auf dem ein aufgeſchlagenes Album
und allerlei Zeichenmaterialien lagen. Seine Hand
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/182>, abgerufen am 16.07.2024.
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