Lustig rief er in den Wald hinein: "Wo geht der Weg nach Berkow, Falk?" Falk -- hallte das Echo zurück.
Endlich wurde es lichter zwischen den Bäumen. Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu haben. Statt dessen trat er auf eine Lichtung heraus, die fast ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen Binsen bedeckten See eingenommen wurde. An dem Rande entlang schreitend, scheuchte er ein Sommer- Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und mit wunderbarer Hast über den Sumpf fort in den Wald flog. Dann wieder lautlose Stille.
"Kommt Zeit kommt Rath," sagte Oswald bei sich. "Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen, denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde."
Er hing seinen Strohhut an einen Zweig, breitete sein Taschentuch über eine der mit dichtem Moos be¬ wachsenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche und streckte sich behaglich in das Haidekraut.
"Der Platz ist wie zum Schlafen gemacht," sprach er bei sich, träumerisch den Libellen zuschauend, die über dem dunklen Wasser des Sumpfes bald stillstehend, bald pfeilschnell fortschießend, ihr wunderliches Wesen trieben. "Wer weiß? Vielleicht ist dies ein Zauber¬ wald, so ein von der Cultur übersehenes Stück Ro¬
Luſtig rief er in den Wald hinein: „Wo geht der Weg nach Berkow, Falk?“ Falk — hallte das Echo zurück.
Endlich wurde es lichter zwiſchen den Bäumen. Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu haben. Statt deſſen trat er auf eine Lichtung heraus, die faſt ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen Binſen bedeckten See eingenommen wurde. An dem Rande entlang ſchreitend, ſcheuchte er ein Sommer- Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und mit wunderbarer Haſt über den Sumpf fort in den Wald flog. Dann wieder lautloſe Stille.
„Kommt Zeit kommt Rath,“ ſagte Oswald bei ſich. „Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen, denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde.“
Er hing ſeinen Strohhut an einen Zweig, breitete ſein Taſchentuch über eine der mit dichtem Moos be¬ wachſenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche und ſtreckte ſich behaglich in das Haidekraut.
„Der Platz iſt wie zum Schlafen gemacht,“ ſprach er bei ſich, träumeriſch den Libellen zuſchauend, die über dem dunklen Waſſer des Sumpfes bald ſtillſtehend, bald pfeilſchnell fortſchießend, ihr wunderliches Weſen trieben. „Wer weiß? Vielleicht iſt dies ein Zauber¬ wald, ſo ein von der Cultur überſehenes Stück Ro¬
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Luſtig rief er in den Wald hinein: „Wo geht der
Weg nach Berkow, Falk?“ Falk — hallte das Echo
zurück.
Endlich wurde es lichter zwiſchen den Bäumen.
Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu
haben. Statt deſſen trat er auf eine Lichtung heraus,
die faſt ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen
Binſen bedeckten See eingenommen wurde. An dem
Rande entlang ſchreitend, ſcheuchte er ein Sommer-
Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und
mit wunderbarer Haſt über den Sumpf fort in den
Wald flog. Dann wieder lautloſe Stille.
„Kommt Zeit kommt Rath,“ ſagte Oswald bei ſich.
„Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen,
denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde.“
Er hing ſeinen Strohhut an einen Zweig, breitete
ſein Taſchentuch über eine der mit dichtem Moos be¬
wachſenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche
und ſtreckte ſich behaglich in das Haidekraut.
„Der Platz iſt wie zum Schlafen gemacht,“ ſprach
er bei ſich, träumeriſch den Libellen zuſchauend, die
über dem dunklen Waſſer des Sumpfes bald ſtillſtehend,
bald pfeilſchnell fortſchießend, ihr wunderliches Weſen
trieben. „Wer weiß? Vielleicht iſt dies ein Zauber¬
wald, ſo ein von der Cultur überſehenes Stück Ro¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/143>, abgerufen am 17.07.2024.
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