Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Lustig rief er in den Wald hinein: "Wo geht der
Weg nach Berkow, Falk?" Falk -- hallte das Echo
zurück.

Endlich wurde es lichter zwischen den Bäumen.
Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu
haben. Statt dessen trat er auf eine Lichtung heraus,
die fast ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen
Binsen bedeckten See eingenommen wurde. An dem
Rande entlang schreitend, scheuchte er ein Sommer-
Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und
mit wunderbarer Hast über den Sumpf fort in den
Wald flog. Dann wieder lautlose Stille.

"Kommt Zeit kommt Rath," sagte Oswald bei sich.
"Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen,
denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde."

Er hing seinen Strohhut an einen Zweig, breitete
sein Taschentuch über eine der mit dichtem Moos be¬
wachsenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche
und streckte sich behaglich in das Haidekraut.

"Der Platz ist wie zum Schlafen gemacht," sprach
er bei sich, träumerisch den Libellen zuschauend, die
über dem dunklen Wasser des Sumpfes bald stillstehend,
bald pfeilschnell fortschießend, ihr wunderliches Wesen
trieben. "Wer weiß? Vielleicht ist dies ein Zauber¬
wald, so ein von der Cultur übersehenes Stück Ro¬

Luſtig rief er in den Wald hinein: „Wo geht der
Weg nach Berkow, Falk?“ Falk — hallte das Echo
zurück.

Endlich wurde es lichter zwiſchen den Bäumen.
Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu
haben. Statt deſſen trat er auf eine Lichtung heraus,
die faſt ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen
Binſen bedeckten See eingenommen wurde. An dem
Rande entlang ſchreitend, ſcheuchte er ein Sommer-
Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und
mit wunderbarer Haſt über den Sumpf fort in den
Wald flog. Dann wieder lautloſe Stille.

„Kommt Zeit kommt Rath,“ ſagte Oswald bei ſich.
„Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen,
denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde.“

Er hing ſeinen Strohhut an einen Zweig, breitete
ſein Taſchentuch über eine der mit dichtem Moos be¬
wachſenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche
und ſtreckte ſich behaglich in das Haidekraut.

„Der Platz iſt wie zum Schlafen gemacht,“ ſprach
er bei ſich, träumeriſch den Libellen zuſchauend, die
über dem dunklen Waſſer des Sumpfes bald ſtillſtehend,
bald pfeilſchnell fortſchießend, ihr wunderliches Weſen
trieben. „Wer weiß? Vielleicht iſt dies ein Zauber¬
wald, ſo ein von der Cultur überſehenes Stück Ro¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="133"/>
Lu&#x017F;tig rief er in den Wald hinein: &#x201E;Wo geht der<lb/>
Weg nach Berkow, Falk?&#x201C; Falk &#x2014; hallte das Echo<lb/>
zurück.</p><lb/>
        <p>Endlich wurde es lichter zwi&#x017F;chen den Bäumen.<lb/>
Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu<lb/>
haben. Statt de&#x017F;&#x017F;en trat er auf eine Lichtung heraus,<lb/>
die fa&#x017F;t ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen<lb/>
Bin&#x017F;en bedeckten See eingenommen wurde. An dem<lb/>
Rande entlang &#x017F;chreitend, &#x017F;cheuchte er ein Sommer-<lb/>
Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und<lb/>
mit wunderbarer Ha&#x017F;t über den Sumpf fort in den<lb/>
Wald flog. Dann wieder lautlo&#x017F;e Stille.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kommt Zeit kommt Rath,&#x201C; &#x017F;agte Oswald bei &#x017F;ich.<lb/>
&#x201E;Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen,<lb/>
denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er hing &#x017F;einen Strohhut an einen Zweig, breitete<lb/>
&#x017F;ein Ta&#x017F;chentuch über eine der mit dichtem Moos be¬<lb/>
wach&#x017F;enen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche<lb/>
und &#x017F;treckte &#x017F;ich behaglich in das Haidekraut.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Platz i&#x017F;t wie zum Schlafen gemacht,&#x201C; &#x017F;prach<lb/>
er bei &#x017F;ich, träumeri&#x017F;ch den Libellen zu&#x017F;chauend, die<lb/>
über dem dunklen Wa&#x017F;&#x017F;er des Sumpfes bald &#x017F;till&#x017F;tehend,<lb/>
bald pfeil&#x017F;chnell fort&#x017F;chießend, ihr wunderliches We&#x017F;en<lb/>
trieben. &#x201E;Wer weiß? Vielleicht i&#x017F;t dies ein Zauber¬<lb/>
wald, &#x017F;o ein von der Cultur über&#x017F;ehenes Stück Ro¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0143] Luſtig rief er in den Wald hinein: „Wo geht der Weg nach Berkow, Falk?“ Falk — hallte das Echo zurück. Endlich wurde es lichter zwiſchen den Bäumen. Schon glaubte er den Saum des Holzes erreicht zu haben. Statt deſſen trat er auf eine Lichtung heraus, die faſt ganz von einem kleinen, zum Theil mit hohen Binſen bedeckten See eingenommen wurde. An dem Rande entlang ſchreitend, ſcheuchte er ein Sommer- Entenpaar auf, das aus dem Röhricht hervorbrach und mit wunderbarer Haſt über den Sumpf fort in den Wald flog. Dann wieder lautloſe Stille. „Kommt Zeit kommt Rath,“ ſagte Oswald bei ſich. „Vorläufig will ich mich aber ein wenig ausruhen, denn ich finde, daß ich nachgerade müde werde.“ Er hing ſeinen Strohhut an einen Zweig, breitete ſein Taſchentuch über eine der mit dichtem Moos be¬ wachſenen Wurzeln einer vielhundertjährigem Buche und ſtreckte ſich behaglich in das Haidekraut. „Der Platz iſt wie zum Schlafen gemacht,“ ſprach er bei ſich, träumeriſch den Libellen zuſchauend, die über dem dunklen Waſſer des Sumpfes bald ſtillſtehend, bald pfeilſchnell fortſchießend, ihr wunderliches Weſen trieben. „Wer weiß? Vielleicht iſt dies ein Zauber¬ wald, ſo ein von der Cultur überſehenes Stück Ro¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/143
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/143>, abgerufen am 25.11.2024.