Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861."Auf einen todten Maulwurf," wiederholte Wie liegst Du jetzt so ruhig da Mit Deinem glatten Fell! Dein Schicksal, ach, es geht mir nah, Du schwärzlicher Gesell! Sie schmähten Dich, sie höhnten Dich, Sie sagten: Du bist blind! Das waren solche sicherlich, Die selber Blinde sind. Am Tage zeigtest Du Dich nicht, Gleich eitler Thoren Schaar, Doch war's in Deiner Zelle licht, In Deinem Busen klar. Und zu der Sterne hohem Lauf Am nächt'gen Himmelsdom, Sahst Du von Deinem Hügel auf, Du kleiner Astronom! Wie lebtest still und harmlos Du, Ein dunkler Ehrenmann! Bei Tag nicht Rast, bei Nacht nicht Ruh, Wer sieht Dir das nun an? Nun liegst Du, ach, so ruhig da Mit Deinem glatten Fell. Dein Schicksal, o! es geht mir nah, Du schwärzlicher Gesell! "Das ist schön," sagte Oswald. "Das ist die „Auf einen todten Maulwurf,“ wiederholte Wie liegſt Du jetzt ſo ruhig da Mit Deinem glatten Fell! Dein Schickſal, ach, es geht mir nah, Du ſchwärzlicher Geſell! Sie ſchmähten Dich, ſie höhnten Dich, Sie ſagten: Du biſt blind! Das waren ſolche ſicherlich, Die ſelber Blinde ſind. Am Tage zeigteſt Du Dich nicht, Gleich eitler Thoren Schaar, Doch war's in Deiner Zelle licht, In Deinem Buſen klar. Und zu der Sterne hohem Lauf Am nächt'gen Himmelsdom, Sahſt Du von Deinem Hügel auf, Du kleiner Aſtronom! Wie lebteſt ſtill und harmlos Du, Ein dunkler Ehrenmann! Bei Tag nicht Raſt, bei Nacht nicht Ruh, Wer ſieht Dir das nun an? Nun liegſt Du, ach, ſo ruhig da Mit Deinem glatten Fell. Dein Schickſal, o! es geht mir nah, Du ſchwärzlicher Geſell! „Das iſt ſchön,“ ſagte Oswald. „Das iſt die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0134" n="124"/> <p>„<hi rendition="#g">Auf einen todten Maulwurf</hi>,“ wiederholte<lb/> die Dichterin, „<hi rendition="#g">den ich am Wege fand</hi>:“</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie liegſt Du jetzt ſo ruhig da</l><lb/> <l>Mit Deinem glatten Fell!</l><lb/> <l>Dein Schickſal, ach, es geht mir nah,</l><lb/> <l>Du ſchwärzlicher Geſell!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Sie ſchmähten Dich, ſie höhnten Dich,</l><lb/> <l>Sie ſagten: Du biſt blind!</l><lb/> <l>Das waren ſolche ſicherlich,</l><lb/> <l>Die ſelber Blinde ſind.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Am Tage zeigteſt Du Dich nicht,</l><lb/> <l>Gleich eitler Thoren Schaar,</l><lb/> <l>Doch war's in Deiner Zelle licht,</l><lb/> <l>In Deinem Buſen klar.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und zu der Sterne hohem Lauf</l><lb/> <l>Am nächt'gen Himmelsdom,</l><lb/> <l>Sahſt Du von Deinem Hügel auf,</l><lb/> <l>Du kleiner Aſtronom!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wie lebteſt ſtill und harmlos Du,</l><lb/> <l>Ein dunkler Ehrenmann!</l><lb/> <l>Bei Tag nicht Raſt, bei Nacht nicht Ruh,</l><lb/> <l>Wer ſieht Dir das nun an?</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Nun liegſt Du, ach, ſo ruhig da</l><lb/> <l>Mit Deinem glatten Fell.</l><lb/> <l>Dein Schickſal, o! es geht mir nah,</l><lb/> <l>Du ſchwärzlicher Geſell!</l><lb/> </lg> </lg> <p>„Das iſt ſchön,“ ſagte Oswald. „Das iſt die<lb/> echte Lyrik, wie wir ſie heute leider nur zu ſelten finden.<lb/> Nicht die Treibhauslyrik jener Dichter, die mit An¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0134]
„Auf einen todten Maulwurf,“ wiederholte
die Dichterin, „den ich am Wege fand:“
Wie liegſt Du jetzt ſo ruhig da
Mit Deinem glatten Fell!
Dein Schickſal, ach, es geht mir nah,
Du ſchwärzlicher Geſell!
Sie ſchmähten Dich, ſie höhnten Dich,
Sie ſagten: Du biſt blind!
Das waren ſolche ſicherlich,
Die ſelber Blinde ſind.
Am Tage zeigteſt Du Dich nicht,
Gleich eitler Thoren Schaar,
Doch war's in Deiner Zelle licht,
In Deinem Buſen klar.
Und zu der Sterne hohem Lauf
Am nächt'gen Himmelsdom,
Sahſt Du von Deinem Hügel auf,
Du kleiner Aſtronom!
Wie lebteſt ſtill und harmlos Du,
Ein dunkler Ehrenmann!
Bei Tag nicht Raſt, bei Nacht nicht Ruh,
Wer ſieht Dir das nun an?
Nun liegſt Du, ach, ſo ruhig da
Mit Deinem glatten Fell.
Dein Schickſal, o! es geht mir nah,
Du ſchwärzlicher Geſell!
„Das iſt ſchön,“ ſagte Oswald. „Das iſt die
echte Lyrik, wie wir ſie heute leider nur zu ſelten finden.
Nicht die Treibhauslyrik jener Dichter, die mit An¬
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