Luft eines Zimmers üppig emporgeschossen in Stiel und Blätter, aber ohne Saft und Kraft und Blüthen. Oswald war froh, als endlich der gelehrte Herr, nach¬ dem er noch ein letztes kräftiges Anathema gegen alle Andersdenkende geschleudert und ihre Moralität gehörig verdächtigt hatte, bis zu dem Amen kam.
"Es ist gewißlich nicht wahr!" sagte der junge Mann bei sich, als er auf den Fußspitzen nach der kleinen Seitenthür schlich, durch die er eingetreten war. Und als draußen der blaue Himmel sich wieder über ihm wölbte, und der Duft der Linden ihn umwehte, da athmete er tief auf, wie Jemand, der aus der heißen, erstickenden Atmosphäre eines Krankenzimmers in die balsamische Luft eines Gartens kommt.
"Ich werde die Bekanntschaft dieses Mannes nicht machen, wenn ich es vermeiden kann," monologisirte er weiter, während er den kleinen Hügel, auf dem die Kirche lag, hinunter, an mehren herrschaftlichen Wagen, die unterdessen vorgefahren waren, vorüber, in's Dorf hineinging; "was habe ich mit ihm zu schaffen! Seine Gedanken sind nicht meine Gedanken und seine Sprache ist nicht meine Sprache! wir würden uns in Ewigkeit nicht verstehen. Ich halte nichts von jener ver¬ waschenen Humanität, die mit Jedermann gut Freund ist, und Niemanden zurückweist, weil es doch vielleicht
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Luft eines Zimmers üppig emporgeſchoſſen in Stiel und Blätter, aber ohne Saft und Kraft und Blüthen. Oswald war froh, als endlich der gelehrte Herr, nach¬ dem er noch ein letztes kräftiges Anathema gegen alle Andersdenkende geſchleudert und ihre Moralität gehörig verdächtigt hatte, bis zu dem Amen kam.
„Es iſt gewißlich nicht wahr!“ ſagte der junge Mann bei ſich, als er auf den Fußſpitzen nach der kleinen Seitenthür ſchlich, durch die er eingetreten war. Und als draußen der blaue Himmel ſich wieder über ihm wölbte, und der Duft der Linden ihn umwehte, da athmete er tief auf, wie Jemand, der aus der heißen, erſtickenden Atmoſphäre eines Krankenzimmers in die balſamiſche Luft eines Gartens kommt.
„Ich werde die Bekanntſchaft dieſes Mannes nicht machen, wenn ich es vermeiden kann,“ monologiſirte er weiter, während er den kleinen Hügel, auf dem die Kirche lag, hinunter, an mehren herrſchaftlichen Wagen, die unterdeſſen vorgefahren waren, vorüber, in's Dorf hineinging; „was habe ich mit ihm zu ſchaffen! Seine Gedanken ſind nicht meine Gedanken und ſeine Sprache iſt nicht meine Sprache! wir würden uns in Ewigkeit nicht verſtehen. Ich halte nichts von jener ver¬ waſchenen Humanität, die mit Jedermann gut Freund iſt, und Niemanden zurückweiſt, weil es doch vielleicht
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Luft eines Zimmers üppig emporgeſchoſſen in Stiel
und Blätter, aber ohne Saft und Kraft und Blüthen.
Oswald war froh, als endlich der gelehrte Herr, nach¬
dem er noch ein letztes kräftiges Anathema gegen alle
Andersdenkende geſchleudert und ihre Moralität gehörig
verdächtigt hatte, bis zu dem Amen kam.
„Es iſt gewißlich nicht wahr!“ ſagte der junge
Mann bei ſich, als er auf den Fußſpitzen nach der
kleinen Seitenthür ſchlich, durch die er eingetreten war.
Und als draußen der blaue Himmel ſich wieder über
ihm wölbte, und der Duft der Linden ihn umwehte,
da athmete er tief auf, wie Jemand, der aus der
heißen, erſtickenden Atmoſphäre eines Krankenzimmers
in die balſamiſche Luft eines Gartens kommt.
„Ich werde die Bekanntſchaft dieſes Mannes nicht
machen, wenn ich es vermeiden kann,“ monologiſirte
er weiter, während er den kleinen Hügel, auf dem die
Kirche lag, hinunter, an mehren herrſchaftlichen Wagen,
die unterdeſſen vorgefahren waren, vorüber, in's Dorf
hineinging; „was habe ich mit ihm zu ſchaffen! Seine
Gedanken ſind nicht meine Gedanken und ſeine Sprache
iſt nicht meine Sprache! wir würden uns in Ewigkeit
nicht verſtehen. Ich halte nichts von jener ver¬
waſchenen Humanität, die mit Jedermann gut Freund
iſt, und Niemanden zurückweiſt, weil es doch vielleicht
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/109>, abgerufen am 28.11.2024.
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