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Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676.

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sein hertz dem andern auß schütten/ seine ent-
weder schwachheiten gestehen/ und umb hertz-
liche vorbitt zu GOtt sie zu ändern/ ansuchen/
oder Unschuld darthun: Und solcher gestalt
würde vielem argwohn/ nachreden/ verleumm-
dungen gesteuret/ und hinwieder manches
ehrlichen Mannes leumund gerettet/ auch
mehrers vertrauen gestifftet werden; Da in
unterbleibung dessen mancher sich verstosset/
und wider der rechten Liebe art/ das böse ehe
als das gute glaubet.

Wie nun ein jeglicher Christ/ der es nur
hertzlich meynet/ seinen Seelsorger in ver-
trauen ermahnen dars/ also ist er gleiche Liebe
allen Nebenmenschen auch zu erweisen schul-
dig/ und vor ihre Seligkeit nach möglichkeit
zu sorgen gehalten. Damit aber solches so-
viel leichter in übung möge gebracht werden/
halte Jch meines orts darfür/ daß der anfang
so füglich könne gemacht werden/ wann man
die nothwendigkeit dieses Geistlichen Prie-
sterthums denen gottseligen Leuten erstlich
beybrächte/ die etwa Freunde und Ver-
wandten haben/ Act. 10/ 24. da der Vatter
der Schnur und deren Kindern/ die Schwie-
ger denen Söhnen und Töchtermännern/

auch

ſein hertz dem andern auß ſchuͤtten/ ſeine ent-
weder ſchwachheiten geſtehen/ und umb hertz-
liche vorbitt zu GOtt ſie zu aͤndern/ anſuchen/
oder Unſchuld darthun: Und ſolcher geſtalt
wuͤrde vielem argwohn/ nachreden/ verleum̃-
dungen geſteuret/ und hinwieder manches
ehrlichen Mannes leumund gerettet/ auch
mehrers vertrauen geſtifftet werden; Da in
unterbleibung deſſen mancher ſich verſtoſſet/
und wider der rechten Liebe art/ das boͤſe ehe
als das gute glaubet.

Wie nun ein jeglicher Chriſt/ der es nur
hertzlich meynet/ ſeinen Seelſorger in ver-
trauen ermahnen darſ/ alſo iſt er gleiche Liebe
allen Nebenmenſchen auch zu erweiſen ſchul-
dig/ und vor ihre Seligkeit nach moͤglichkeit
zu ſorgen gehalten. Damit aber ſolches ſo-
viel leichter in uͤbung moͤge gebracht werden/
halte Jch meines orts daꝛfuͤr/ daß der anfang
ſo fuͤglich koͤnne gemacht werden/ wann man
die nothwendigkeit dieſes Geiſtlichen Prie-
ſterthums denen gottſeligen Leuten erſtlich
beybraͤchte/ die etwa Freunde und Ver-
wandten haben/ Act. 10/ 24. da der Vatter
der Schnur und deren Kindern/ die Schwie-
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[283/0309] ſein hertz dem andern auß ſchuͤtten/ ſeine ent- weder ſchwachheiten geſtehen/ und umb hertz- liche vorbitt zu GOtt ſie zu aͤndern/ anſuchen/ oder Unſchuld darthun: Und ſolcher geſtalt wuͤrde vielem argwohn/ nachreden/ verleum̃- dungen geſteuret/ und hinwieder manches ehrlichen Mannes leumund gerettet/ auch mehrers vertrauen geſtifftet werden; Da in unterbleibung deſſen mancher ſich verſtoſſet/ und wider der rechten Liebe art/ das boͤſe ehe als das gute glaubet. Wie nun ein jeglicher Chriſt/ der es nur hertzlich meynet/ ſeinen Seelſorger in ver- trauen ermahnen darſ/ alſo iſt er gleiche Liebe allen Nebenmenſchen auch zu erweiſen ſchul- dig/ und vor ihre Seligkeit nach moͤglichkeit zu ſorgen gehalten. Damit aber ſolches ſo- viel leichter in uͤbung moͤge gebracht werden/ halte Jch meines orts daꝛfuͤr/ daß der anfang ſo fuͤglich koͤnne gemacht werden/ wann man die nothwendigkeit dieſes Geiſtlichen Prie- ſterthums denen gottſeligen Leuten erſtlich beybraͤchte/ die etwa Freunde und Ver- wandten haben/ Act. 10/ 24. da der Vatter der Schnur und deren Kindern/ die Schwie- ger denen Soͤhnen und Toͤchtermaͤnnern/ auch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/309>, abgerufen am 24.11.2024.