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Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676.

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und so wol Dubia als Gemüths-meynun-
gen deß Predigers beurtheilung/ ob sie dem
Sinn deß Geistes in der Schrifft gemäß ge-
horsamlich zu unterwerffen. Am meisten
aber bitte Jch 6. dahin zu sehen/ daß man bey
einigem geistlichen wachsthum und mehre-
rer erkanntnüß sich in seinem hertzen nicht er-
hebe/ und innerlich stoltz werde/ weniger an-
dere so nicht mit ihnen sind beurtheile/ oder
verachte; sintemal solcher hoch muht nicht nur
den Höchsten erzürnen/ sondern auch das gan-
tze Werck verderben und umbstossen würde;
darumb dann gute Gemüther niemal zurück
gedencken müssen/ was sie gewesen und nun
sind/ und sich dessen erheben/ sondern allezeit
betrachten sollen/ wie viel ihnen noch zur voll-
kommenheit fehle/ und wie sie von Natur so
schrecklich verderbet/ daß sie nit nur auß sich
selbst nicht das geringste gute vollbringen/
sondern in die grausamsie Sünden fallen
würden/ wo sie GOttes Gnad nicht erhielte/
und deßwegen soviel hertzlicher mit furche
und zittern ihre Seligkeit würcken/ und den
Nebenmenschen/ welcher in gleicher verdam-
nüß mit uns/ destoweniger syndiciren/ oder
uns über denselben erhebe. Auch haben solche

7. die

und ſo wol Dubia als Gemuͤths-meynun-
gen deß Predigers beurtheilung/ ob ſie dem
Sinn deß Geiſtes in der Schrifft gemaͤß ge-
horſamlich zu unterwerffen. Am meiſten
aber bitte Jch 6. dahin zu ſehen/ daß man bey
einigem geiſtlichen wachsthum und mehre-
rer erkañtnuͤß ſich in ſeinem hertzen nicht er-
hebe/ und innerlich ſtoltz werde/ weniger an-
dere ſo nicht mit ihnen ſind beurtheile/ oder
verachte; ſintemal ſolcher hoch muht nicht nur
den Hoͤchſten erzuͤrnẽ/ ſondern auch das gan-
tze Werck verderben und umbſtoſſen wuͤrde;
darumb dann gute Gemuͤther niemal zuruͤck
gedencken müſſen/ was ſie geweſen und nun
ſind/ und ſich deſſen erheben/ ſondern allezeit
betrachten ſollen/ wie viel ihnen noch zur voll-
kommenheit fehle/ und wie ſie von Natur ſo
ſchrecklich verderbet/ daß ſie nit nur auß ſich
ſelbſt nicht das geringſte gute vollbringen/
ſondern in die grauſamſie Suͤnden fallen
wuͤrden/ wo ſie GOttes Gnad nicht erhielte/
und deßwegen ſoviel hertzlicher mit furche
und zittern ihre Seligkeit wuͤrcken/ und den
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nuͤß mit uns/ deſtoweniger ſyndiciren/ oder
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[278/0304] und ſo wol Dubia als Gemuͤths-meynun- gen deß Predigers beurtheilung/ ob ſie dem Sinn deß Geiſtes in der Schrifft gemaͤß ge- horſamlich zu unterwerffen. Am meiſten aber bitte Jch 6. dahin zu ſehen/ daß man bey einigem geiſtlichen wachsthum und mehre- rer erkañtnuͤß ſich in ſeinem hertzen nicht er- hebe/ und innerlich ſtoltz werde/ weniger an- dere ſo nicht mit ihnen ſind beurtheile/ oder verachte; ſintemal ſolcher hoch muht nicht nur den Hoͤchſten erzuͤrnẽ/ ſondern auch das gan- tze Werck verderben und umbſtoſſen wuͤrde; darumb dann gute Gemuͤther niemal zuruͤck gedencken müſſen/ was ſie geweſen und nun ſind/ und ſich deſſen erheben/ ſondern allezeit betrachten ſollen/ wie viel ihnen noch zur voll- kommenheit fehle/ und wie ſie von Natur ſo ſchrecklich verderbet/ daß ſie nit nur auß ſich ſelbſt nicht das geringſte gute vollbringen/ ſondern in die grauſamſie Suͤnden fallen wuͤrden/ wo ſie GOttes Gnad nicht erhielte/ und deßwegen ſoviel hertzlicher mit furche und zittern ihre Seligkeit wuͤrcken/ und den Nebenmenſchen/ welcher in gleicher verdam- nuͤß mit uns/ deſtoweniger ſyndiciren/ oder uns uͤber denſelben erhebē. Auch haben ſolche 7. die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/304>, abgerufen am 03.05.2024.