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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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änderung der meynung von unserm fleisch
herkomme/ welches gerne von GOttes ge-
bot dispensiret/ und seine freyheit liebet/
und deme das jenige/ was dieselbige erwei-
tert/ immer besser einleuchtet/ als was sie
enger spannen will: Ja wo uns deuchtet/
wir finden das jenige/ welches wir vorhin
gehalten haben unrecht zu seyn/ nunmehr er-
laubt und GOtt nicht zuwider/ so ist wohl
zu prüfen/ ob nicht solche einsicht sich itzt ge-
ändert habe/ weil wir damahl die sache mit
geistlichen und des HErrn willen lauterlich
in einfalt ansehenden/ nunmehr aber mit
fleischlichen und der freyheit begierigen au-
gen auschauen/ wo die sache nothwendig
eine andere gestalt gewinnet. Hiernach/
sage ich/ haben wir uns sorgfältig zu prü-
fen/ und soll uns das jenige immer verdäch-
tig seyn/ was dem fleisch am angenehmsten
ist. Daher auch/ wo uns die sache endlich
nur zweiffelhafft wäre/ wir lieber davon ab-
stehen/ als solche verrichten müssen. Und
wäre gewiß das jenige nicht aus der gnade
oder GOttes wirckung/ wo einer etwas/
das zwar in der that nicht verboten/ und al-
so erläubet wäre/ er aber/ daß es recht sey/
auffs wenigste zweiffelte/ ohneracht dessen

den-

aͤnderung der meynung von unſerm fleiſch
herkomme/ welches gerne von GOttes ge-
bot diſpenſiret/ und ſeine freyheit liebet/
und deme das jenige/ was dieſelbige erwei-
tert/ immer beſſer einleuchtet/ als was ſie
enger ſpannen will: Ja wo uns deuchtet/
wir finden das jenige/ welches wir vorhin
gehalten haben unrecht zu ſeyn/ nunmehr er-
laubt und GOtt nicht zuwider/ ſo iſt wohl
zu prüfen/ ob nicht ſolche einſicht ſich itzt ge-
aͤndert habe/ weil wir damahl die ſache mit
geiſtlichen und des HErrn willen lauterlich
in einfalt anſehenden/ nunmehr aber mit
fleiſchlichen und der freyheit begierigen au-
gen auſchauen/ wo die ſache nothwendig
eine andere geſtalt gewinnet. Hiernach/
ſage ich/ haben wir uns ſorgfaͤltig zu prü-
fen/ und ſoll uns das jenige immer verdaͤch-
tig ſeyn/ was dem fleiſch am angenehmſten
iſt. Daher auch/ wo uns die ſache endlich
nur zweiffelhafft waͤre/ wir lieber davon ab-
ſtehen/ als ſolche verrichten müſſen. Und
waͤre gewiß das jenige nicht aus der gnade
oder GOttes wirckung/ wo einer etwas/
das zwar in der that nicht verboten/ und al-
ſo erlaͤubet waͤre/ er aber/ daß es recht ſey/
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[23/0085] aͤnderung der meynung von unſerm fleiſch herkomme/ welches gerne von GOttes ge- bot diſpenſiret/ und ſeine freyheit liebet/ und deme das jenige/ was dieſelbige erwei- tert/ immer beſſer einleuchtet/ als was ſie enger ſpannen will: Ja wo uns deuchtet/ wir finden das jenige/ welches wir vorhin gehalten haben unrecht zu ſeyn/ nunmehr er- laubt und GOtt nicht zuwider/ ſo iſt wohl zu prüfen/ ob nicht ſolche einſicht ſich itzt ge- aͤndert habe/ weil wir damahl die ſache mit geiſtlichen und des HErrn willen lauterlich in einfalt anſehenden/ nunmehr aber mit fleiſchlichen und der freyheit begierigen au- gen auſchauen/ wo die ſache nothwendig eine andere geſtalt gewinnet. Hiernach/ ſage ich/ haben wir uns ſorgfaͤltig zu prü- fen/ und ſoll uns das jenige immer verdaͤch- tig ſeyn/ was dem fleiſch am angenehmſten iſt. Daher auch/ wo uns die ſache endlich nur zweiffelhafft waͤre/ wir lieber davon ab- ſtehen/ als ſolche verrichten müſſen. Und waͤre gewiß das jenige nicht aus der gnade oder GOttes wirckung/ wo einer etwas/ das zwar in der that nicht verboten/ und al- ſo erlaͤubet waͤre/ er aber/ daß es recht ſey/ auffs wenigſte zweiffelte/ ohneracht deſſen den-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/85>, abgerufen am 17.05.2024.