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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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mitleiden mit einem unschuldigen/ denn mit
einem gewaltigen/ freuet sich mit dem war-
hafftigen und nicht mit den lügenhafftigen.
Sie ermahnet allezeit die frommen men-
schen/ daß sie des H. Geistes salbung und
die bessern gaben stets lieb haben/ und den
Sohn Gottes durch die tugend gleich wer-
den. Natur klaget leicht über abgang und
beschwerung/ gnade aber träget armuth be-
ständiglich. Natur kehret alle dinge zu ihr/
streitet für sich selbsten/ und straffet jeder-
man. Gnade aber wendet alle dinge zu
GOtt/ von dem sie ursprünglich herfliessen.
Jhr selbst leget sie nichts gutes zu/ sie ver-
misset sich nichts mit stoltzer weise/ sie zancket
nicht/ will nicht/ daß ihr sinn über die andern
sey/ sondern in allem sinn und verstand wil
sie sich der ewigen weißheit/ und der Göttli-
chen prob und erfahrung unterworffen ha-
ben. Natur weiß gern heimliche dinge/ hö-
ret gern neue mehr/ will auswendig gesehen
werden/ viel durch die sinne erfahren/ und
wovon lob und verwunderung käme/ das
begehret sie zu können und zu thun. Gnade
aber kümmert sich nicht neue und fürwitzige
dinge zu wissen/ dann das alles von alter zer-
störung der sünden herkommet/ dieweil nichts

neues

mitleiden mit einem unſchuldigen/ denn mit
einem gewaltigen/ freuet ſich mit dem war-
hafftigen und nicht mit den lügenhafftigen.
Sie ermahnet allezeit die frommen men-
ſchen/ daß ſie des H. Geiſtes ſalbung und
die beſſern gaben ſtets lieb haben/ und den
Sohn Gottes durch die tugend gleich wer-
den. Natur klaget leicht über abgang und
beſchwerung/ gnade aber traͤget armuth be-
ſtändiglich. Natur kehret alle dinge zu ihr/
ſtreitet für ſich ſelbſten/ und ſtraffet jeder-
man. Gnade aber wendet alle dinge zu
GOtt/ von dem ſie urſprünglich herflieſſen.
Jhr ſelbſt leget ſie nichts gutes zu/ ſie ver-
miſſet ſich nichts mit ſtoltzer weiſe/ ſie zancket
nicht/ will nicht/ daß ihr ſinn über die andern
ſey/ ſondern in allem ſinn und verſtand wil
ſie ſich der ewigen weißheit/ und der Goͤttli-
chen prob und erfahrung unterworffen ha-
ben. Natur weiß gern heimliche dinge/ hoͤ-
ret gern neue mehr/ will auswendig geſehen
werden/ viel durch die ſinne erfahren/ und
wovon lob und verwunderung kaͤme/ das
begehret ſie zu koͤnnen und zu thun. Gnade
aber kümmert ſich nicht neue und fürwitzige
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[383/0445] mitleiden mit einem unſchuldigen/ denn mit einem gewaltigen/ freuet ſich mit dem war- hafftigen und nicht mit den lügenhafftigen. Sie ermahnet allezeit die frommen men- ſchen/ daß ſie des H. Geiſtes ſalbung und die beſſern gaben ſtets lieb haben/ und den Sohn Gottes durch die tugend gleich wer- den. Natur klaget leicht über abgang und beſchwerung/ gnade aber traͤget armuth be- ſtändiglich. Natur kehret alle dinge zu ihr/ ſtreitet für ſich ſelbſten/ und ſtraffet jeder- man. Gnade aber wendet alle dinge zu GOtt/ von dem ſie urſprünglich herflieſſen. Jhr ſelbſt leget ſie nichts gutes zu/ ſie ver- miſſet ſich nichts mit ſtoltzer weiſe/ ſie zancket nicht/ will nicht/ daß ihr ſinn über die andern ſey/ ſondern in allem ſinn und verſtand wil ſie ſich der ewigen weißheit/ und der Goͤttli- chen prob und erfahrung unterworffen ha- ben. Natur weiß gern heimliche dinge/ hoͤ- ret gern neue mehr/ will auswendig geſehen werden/ viel durch die ſinne erfahren/ und wovon lob und verwunderung kaͤme/ das begehret ſie zu koͤnnen und zu thun. Gnade aber kümmert ſich nicht neue und fürwitzige dinge zu wiſſen/ dann das alles von alter zer- ſtoͤrung der ſünden herkom̃et/ dieweil nichts neues

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/445>, abgerufen am 24.11.2024.